Wahlprüfsteine des Landesverbandes Sozialpsychiatrie M-V e.V. zur Bundes- und Landtagswahl 2021

Anlässlich der kommenden Landtags- und Bundestagswahl am 26.09.2021 möchten wir, der Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V., im Rahmen unserer Wahlprüfsteine auf die aktuelle Versorgungssituation von psychisch erkrankten Menschen in Mecklenburg-Vorpommern und auf die Notwendigkeit der politischen Berücksichtigung dieser Belange aufmerksam machen. Mit unseren Fragen wollen wir wichtige und notwendige Themen für die Sozial- und Gesundheitspolitik der einzelnen Parteien anregen.

Wir als landesweiter sozialpsychiatrischer Fachverband setzen uns mit unseren Mitgliedern und Netzwerkpartnern seit 1995 für die besonderen Belange von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen ein. Wir möchten darauf aufmerksam machen, dass in Deutschland jedes Jahr etwa 30 % der Menschen aus der Allgemeinbevölkerung über Beeinträchtigungen durch eine psychische Erkrankung berichten. Dies entspricht etwa 17,8 Millionen Menschen in Deutschland.

Etwa 1 bis 2 % leiden an den schweren und langanhaltenden Auswirkungen ihrer Erkrankung und benötigen intensive medizinische und psychosoziale Unterstützung. Aktuellen Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Sozialhilfeträger zufolge beläuft sich der Anteil von Hilfeempfängerinnen und -empfänger mit schweren seelischen Behinderungen in Deutschland auf knapp 50 %. Anhand dieser Angaben wird ersichtlich, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen einen hohen Anteil in der Gesellschaft ausmachen und deshalb in den sozialpolitischen Diskursen stärker berücksichtigt werden müssen.

Die Wahlprüfsteine können Sie hier auch als PDF frei herunterladen:

Unsere Wahlprüfsteine

1. Förderung von psychischer Gesundheit in der Bevölkerung durch Prävention

Die Ursachen von psychischen Erkrankungen sind sehr komplex und gehen mit zahlreichen biopsychosozialen Faktoren einher. Aus der Forschung wissen wir jedoch, dass insbesondere Kinder und Jugendliche aus psychisch belasteten Familien, Personen mit geringem Einkommen und in prekären Lebenslagen (z. B. Wohnungslosigkeit, mit Flucht- und/oder Migrationserfahrungen) sowie alleinlebende und sozial isolierte Menschen mit einem hohen Lebensalter ein besonders Risiko für eine schwere psychische Erkrankung mit Beeinträchtigungen in verschiedenen Lebensbereichen aufweisen. Vor allem in einem Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern wird die frühzeitige Inanspruchnahme und der Zugang von geeigneten Unterstützungsmöglichkeiten sowie die Übersicht der zur Verfügung stehenden Angebote durch die geografischen Strukturen besonders erschwert.

  1. Welche Rolle nimmt das Thema psychische Gesundheit in Ihrer Sozial- und Gesundheitspolitik in Mecklenburg-Vorpommern ein?
  2. Welche konkreten sozial- oder gesundheitspolitischen Initiativen sind Ihrerseits geplant, um sowohl präventive Maßnahmen als auch Bedarfsanalysen hinsichtlich der Unterstützungsnetzwerke und den Zugang zu bestehenden Unterstützungsangeboten in Mecklenburg-Vorpommern zu unterstützen?

2. Abbau der Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen

In der Bevölkerung von Deutschland zählen Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen immer noch zu einer stigmatisierten Bevölkerungsgruppe. Vorurteile und Diskriminierung von bestimmten Bevölkerungsgruppen wirken sich negativ auf das gesamtgesellschaftliche Klima aus und erzeugen „unsichtbare Barrieren“ für die stigmatisierte Bevölkerungsgruppe an den gesellschaftlichen Möglichkeiten zu partizipieren. Um auch für Menschen mit seelischen Beeinträchtigungen nachhaltig gesellschaftliche Barrieren abzubauen und die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen, bedarf es unserer Ansicht nach konkretere zielgruppenspezifische Handlungsmaßnahmen für Mecklenburg-Vorpommern an denen sich Expertinnen und Experten aus eigener Erfahrung beteiligen.

  1. Welche Rahmenbedingungen wollen Sie schaffen, um Menschen mit einer Psychiatrieerfahrung derartige Beteiligungschancen zu eröffnen?
  2. Inwiefern haben Sie den Abbau von gesellschaftlicher Stigmatisierung in Ihrer Sozialpolitik mit aufgenommen?

Newsletter der LaKo KipsFam Juni 2021

Insbesondere in den Zeiten der Pandemie sind die Themen Selbstfürsorge und Psychohygiene
aktueller denn je. Das Schwerpunktthema des Newsletters der Landeskoordination Kinder psychisch und/oder suchtbelasteter Familien (LaKo KipsFam) beschäftigt sich daher mit der Resilienzförderung von Kindern aus belasteten Familien sowie Eltern und geht ebenso der Frage nach, wie Fachkräfte Kinder psychisch stark machen können. Angelehnt an diese Thematik enthält der Newsletter folgende Sonderinhalte:

  • die LaKo KipsFam fragt: Interview mit Herrn Prof. Michael Kölch (Universitätsmedizin Rostock)
  • Buchvorstellungen zum Thema Resilienz für Kinder, Eltern und Fachkräfte
  • thematisch passende Studien und Fortbildungen, die die Themen Resilienz und Selbstfürsorge aufgreifen
  • Filmtipp des Monats: „Das Versprechen“
  • weiterer Tipp: Podcast „Redseelig” der Eckhard Busch Stiftung und viele weitere Informationen.

Außerdem informiert die LaKo KipsFam die Leser*innen über die aktuellen Arbeitsinhalte der Landeskoordination. Der Newsletter kann hier eingesehen und abonniert werden.

Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die psychische Gesundheit und psychosoziale Versorgung in M-V

Seit dem 11. März 2020 ist der Alltag in Deutschland durch die COVID-19-Pandemie deutlich eingeschränkt. Weltweit sind 192 Länder und Regionen von der Pandemie betroffen. Die Anzahl der vom Coronavirus infizierten Personen lässt sich nach dem Johns Hopkins University and Medical Center auf knapp 165 Millionen schätzen (Stand 25.05.2021). Etwa 3 Millionen Menschen sind im Zusammenhang mit dem Virus verstorben. In Deutschland wurden über 3,4 Millionen Menschen mit dem Coronavirus infiziert und über 86 Tausend fielen dem Virus hierzulande zum Opfer. 

Neben der tatsächlichen Gesundheitsgefahr durch das Virus sind die Menschen zusätzlich existenziellen Belastungen unter anderem wegen des wirtschaftlichen Stillstandes und der fortwährenden Verordnungen in vielen Branchen ausgesetzt. Durch die Lockdowns, Hygiene-Maßnahmen und Kontakteinschränkungen zur Verringerung des Infektionsgeschehens ist das öffentliche und soziale Leben über mehrere Monate hinweg deutlich eingeschränkt. Für viele Menschen und Familien geht die soziale Isolation mit erheblichen psychosozialen Belastungen wie Einsamkeit, Sorge um Familienmitglieder, erhöhter Stress oder Angst einher. Vor allem Personen mit einer ausgeprägten Vulnerabilität für psychische Beeinträchtigungen oder mit vorbestehenden psychischen Erkrankungen sind besonders von den Folgen der sozialen Isolation betroffen.

Auch wenn seit einigen Wochen deutliche Lockerungen und eine signifikante Reduktion der Inzidenzzahlen zu beobachten sind, wirkten sich die COVID-19-bedingten Einschränkungen in den vergangenen Monaten im erheblichen Maße auf die gesundheitliche und psychosoziale Versorgung von gesellschaftlich benachteiligten Gruppen in Deutschland aus. Hierzu gehören unter anderem erwachsene Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen, psychisch belastete Kinder, Jugendliche und Familien oder ältere Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Bei allen Gruppen sind nach wie vor die Lebensqualität, die psychosoziale, die psychiatrische und die allgemeine gesundheitliche Versorgung durch die pandemiebedingten Schutzmaßnahmen deutlich eingeschränkt.

Nach über einem Jahren Pandemie machen nationale und internationale Studien auf die negativen Langzeitfolgen aufmerksam, welche bei einem Großteil der genannten Zielgruppen mit einer Verschlechterung der psychischen Gesundheit und einer Zunahme von psychosozialen Problemlagen einhergeht. Aber auch Mitarbeitende der psychiatrischen und psychosozialen Versorgung leiden massiv unter den Pandemiebedingungen.

Im Rahmen einer Stellungnahme möchten wir der Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. und das Institut für Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. ausgehend von den Erfahrungen aus der Praxis und den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen auf die überwiegend prekäre Versorgungs- und Lebenssituation von Menschen mit psychischen Erkrankungen während der Pandemie aufmerksam machen. Zudem wollen wir auf die Langzeitfolgen der pandemiebedingten Maßnahmen im Hinblick auf die psychische Gesundheit verweisen. Unser Anliegen besteht darin, durch Empfehlungen eine Verbesserung der gesundheitlichen Prävention, Behandlung und Versorgung vor allem für besonders vulnerable Personengruppen in Mecklenburg-Vorpommern anzuregen.

Zu den Empfehlungen zählen unter anderem:

  1. Stärkere Berücksichtigung der Langzeitfolgen der COVID-19-Pandemie auf die psychische Gesundheit in der Politik zur Pandemiebekämpfung von Mecklenburg-Vorpommern
  2. Fokussierung stark beeinträchtigter und vulnerabler Zielgruppen bei der Gesundheitsprävention während und nach der Pandemie
  3. Ausbau von aufsuchenden psychosozialen Unterstützungs- und Beratungsangeboten
  4. Ausbau und Finanzierung von digitalen Unterstützung- und Beratungsangeboten
  5. Differenzierung der Schutzverordnungen und Maßnahmen hinsichtlich der Unterstützungsbedarfe von psychisch erkrankten Menschen
  6. Unterstützung von Trägern und Einrichtungen des Gesundheit- und Sozialwesens zur Reduktion der psychischen Belastungen während der Pandemie bei den Mitarbeitenden

Die vollständige Stellungnahme kann hier heruntergeladen werden.

Anti-Stigma-Kampagne im Radio LOHRO

Die Stigmatisierung psychisch erkrankter Menschen hat in den vergangenen Jahren in Deutschland deutlich zugenommen. Besonders in den Medien spiegelt sich die Tendenz der sozialen Diskriminierung und Abwertung von psychisch erkrankten Menschen wieder. Aber auch in der deutschen Bevölkerung kann ein Anstieg von negativen Zuschreibungen gegenüber Personen mit psychischen Erkrankungen verzeichnet werden. Vorurteile und Diskriminierung von bestimmten Bevölkerungsgruppen wirken sich nicht nur negativ auf das gesellschaftliche Gesamtklima aus, sondern auch bei den Betroffenen geht die gesellschaftliche Ausgrenzung mit einer Reihe von negativen Folgen einher. Hierzu gehören zum Beispiel ein vermindertes Selbstwertgefühl, gesellschaftliche Exklusion, negatives Stresserleben, erhöhte Suizidalität und eine schlechtere Krankheitsbewältigung.

Um der gesellschaftlichen Diskriminierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen entgegenzuwirken, führte der Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. zwischen April 2016 bis 2017 die Anti-Stigma-Kampagne durch. Am 23.02.2021 stellte Anke Wagner vom Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. die Anti-Stigma-Kampagne beim Radiosende LOHRO vor. Der Radiobeitrag kann hier angehört werden.

Weitere Informationen zur Anti-Stigma-Kampagne des Landesverbandes Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. finden Sie hier.

Untersuchung zur Versorgungssituation von Kindern aus psychisch und/oder suchtbelasteten Familien in Mecklenburg-Vorpommern

Psychische Erkrankungen von Eltern können sich nachteilig auf die Familie und Elternschaft auswirken. So weisen Kinder mit psychisch erkrankten Eltern ein hohes Risiko auf, selbst eine psychische Störung zu entwickeln. In der Praxis fehlt es häufig an bedarfsgerechten Unterstützungsangeboten für Eltern mit psychischen Erkrankungen oder Kindern von psychisch belasteten Eltern. In den vergangenen Jahren fand die Problematik von Kindern psychisch und/oder suchtbelasteter Eltern zunehmend Interesse in der Fachöffentlichkeit. Im Zuge dieses Interesses entstanden zahlreiche Projekte deren Schwerpunkt darin besteht, psychischen Auffälligkeiten von Kindern aufgrund familiärer psychischer Belastungen entgegenzuwirken.

Im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit Mecklenburg-Vorpommern führte das Institut für Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. in Kooperation mit der Universitätsmedizin Rostock eine Untersuchung zur aktuellen Versorgungslandschaft für Kinder aus psychisch und/oder suchtbelasteten Familien in Mecklenburg-Vorpommern durch. Das Ziel der Untersuchung bestand darin, Handlungsvorschläge für die Verbesserung der Situation von Kindern mit psychisch und/oder suchtbelasteten Familien in Mecklenburg-Vorpommern zu entwickeln.

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass die Vernetzung und Kooperation der einzelnen zuständigen Akteur*innen (Jugendämter, Kliniken, Schulen, Kindertagestätten etc.) ausbaufähig ist. Viele der Angebote für diese Zielgruppe befinden sich im städtischen Bereich, sodass insbesondere für Kinder aus dem ländlichen Bereich eine Unterversorgung und mangelnde Erreichbarkeit zu den Angeboten besteht. Zudem mangelt es an alterskontinuierlichen Angeboten, insbesondere für Kinder im Grundschulalter und im Jugendalter. Hierbei handelt es sich um sensible Phasen, welche durch Übergänge und altersspezifische Herausforderungen geprägt sind und besondere Unterstützung benötigen. Darüber hinaus sind viele der Unterstützungsangebote im Rahmen von Projektförderstrukturen zeitlich befristet. Eine systematische Einbeziehung der vorhandenen Angebote in die etablierten Versorgungsstrukturen für Familien mit psychischen und/oder suchtbezogenen Belastungen konnte nicht identifiziert werden, sodass sich hier Handlungsbedarfe ergeben.

Zusammenfassend können auf der Grundlage der Erkenntnisse folgende Empfehlungen abgeleitet werden:

  • der Aufbau eines regionalen, verbindlichen Netzwerks zur systematisierten Kooperation und verbesserten Kommunikation zwischen den verschiedenen Hilfesystemen (v. a. Kinder- und Jugendhilfe, Erwachsenenpsychiatrie und Kinder- und Jugendpsychiatrie, Eingliederungshilfe, niedergelassene Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen, Schule, Psychiatrieerfahrene, Angehörige, etc.) einschließlich der Klärung von Verantwortlichkeiten und Festlegung verbindlicher Ansprechpartner*innen in den unterschiedlichen Unterstützungssystemen
  • die Stärkung des interdisziplinären Versorgungssystems und SGB-übergreifender Leistungen für psychisch und suchtbelastete Familien, z. B. in Form von schriftlichen Kooperationsverträgen und/oder der Etablierung verbindlicher, interdisziplinärer, kollegialer Fallbesprechungen (Jugendamt und Gesundheitsamt) zur Feststellung des familienspezifischen Bedarfes und zur Klärung der Leistungsfinanzierung
  • die Verortung der regionalen Steuerung in den Verantwortungsbereich der Kinder- und Jugendhilfe und des Öffentlichen Gesundheitsdienstes
  • der Aufbau verbindlicher und multidisziplinärer Koordinationsstrukturen nicht nur auf kommunaler Ebene, sondern auch auf landesweiter Ebene, insbesondere ineinandergreifender Prozesse von Sozial-, Psychiatrie- und Jugendhilfeplanung
  • der flächendeckende Ausbau und die nachhaltige Umsetzung bedarfsgerechter und alterskontinuierlicher Angebote für die Zielgruppe “Kinder aus psychisch und/ oder suchtbelasteten Familien”, die nur über gesicherte Finanzierungsstrukturen gelingen kann
  • die systematisierte, quantitative Erhebung der Zielgruppe, die Identifizierung fehlender oder nicht ausreichend angepasster Hilfen in den verschiedenen Versorgungsregionen sowie standardisierte Dokumentation und Evaluation der bestehenden Hilfsangebote
  • eine abgestimmte Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen und Suchterkrankungen in den Lebenswelten von Kindern, Jugendlichen und Familien sowie die Entwicklung von Fortbildungsmaßnahmen für Fach- und Lehrkräfte und die Bereitstellung zielgruppengerechter Informationen in allen beteiligten Institutionen
  • die Förderung der Inanspruchnahme und zugleich die Sensibilisierung nicht-professioneller Angebote im Sozialraum, sodass eine langfristige, nicht-stigmatisierende Unterstützung gelingen kann (z. B. in Schulen, KiTas, Kultur- und Sportvereinen).

Weitere Informationen finden Sie hier im vollständigen Abschlussbericht:

Telefonische Genesungsbegleitung des EX-IN M-V e.V.

Telefonische Genesungsbegleitung des EX-IN Mecklenburg-Vorpommern e.V.

Im Zuge der Corona-Krise ist die Idee der telefonischen Genesungsbegleitung entstanden. Von März bis Juni 2020 wurde dieses Angebot von EX-IN Mecklenburg-Vorpommern e.V. an drei Tagen pro Woche bereitgestellt.

Menschen mit psychischen Störungen haben das Angebot genutzt, um insbesondere den Wegfall sozialer und psychosozialer Kontakte durch die Corona-Beschränkungen zu kompensieren. Ebenso waren Probleme bei der Alltagsstrukturierung und Herausforderungen durch aktuelle psychische Beschwerden von den Anrufenden thematisiert worden. In den Telefonaten wurde immer wieder geäußert, wie gut es tat, mit jemandem reden zu können, der aus eigener Erfahrung weiß, wie sich die verschiedensten psychischen Beeinträchtigungen anfühlen. Auch das Mut-Machen durch ehemals selbst Betroffene wurde hervorgehoben.

Aus den diesen Erfahrungen heraus entwickelte der EX-IN Mecklenburg-Vorpommern e.V. ein Anschluss-Projekt, welches vorerst bis zum Jahresende 2020 zur Verfügung gestellt wird. Jeden Montag und Donnerstag von 14:00 bis 18:00 Uhr kann unter der Telefonnummer: 0176 16374159 das Angebot genutzt werden-

Das telefonische Angebot beinhaltet:

  • Alltagsbegleitung
  • Stärkung der Selbstständigkeit
  • Festigung hilfreicher Verhaltensweisen
  • Wiederentdecken eigener Stärken
  • entlastende Gespräche
  • Hilfe zur Selbsthilfe

Der Verein EX-IN Mecklenburg-Vorpommern e. V. steht für die Beteiligung von Psychiatrie-Erfahrenen, die nach ihrer Ausbildung zum Genesungsbegleiter*in/ Expert*in aus Erfahrung unter anderem für akut Betroffene begleitend tätig werden können. Weitere Informationen finden Sie hier:

Broschüre für Kinder psychisch belasteter Eltern im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte

Die psychische und soziale Entwicklung wird maßgeblich durch Erfahrungen in der frühen Kindheit geprägt. Das Erleben von körperlicher und materieller Sicherheit, verlässlichen sozialen Beziehungen sowie gelungenen Bindungserfahrungen mit den primären Bezugspersonen und einer stabilen sozialen Einbettung gehören dabei zu bedeutsamen Schutzfaktoren.

Die Entwicklungschancen sind jedoch in Deutschland nicht für alle Kinder und Jugendlichen gleich. Besonders Kinder aus Familien mit und Jugendliche mit psychisch erkrankten Eltern wachsen häufig unter schwierigen Bedingungen auf und haben daher ein erhöhtes Risiko selbst körperlich wie auch seelisch zu erkranken. Leider werden Sie oft nicht in die elterliche Behandlung einbezogen oder schlicht vergessen. Die Kinder selbst leiden unter Ängsten, Loyalitätskonflikten oder Schuld- und Schamgefühlen. Nicht selten übernehmen sie die Verantwortung im Alltag und sind vermehrt auf sich allein gestellt, wenn es im engeren Familienkreis niemanden gibt, der sie unterstützen kann. Ihr Leidensdruck ist nicht immer ersichtlich und/oder wird nicht in Verbindung mit der elterlichen Erkrankung gebracht. Dennoch spüren Kinder innerfamiliäre Spannungen, können sie aber Mangels an Informationen oder durch Tabuisierung nicht für sich einordnen. Um das resultierende Risiko zu minimieren bedarf es gezielter Unterstützung für betroffene Kinder und Familien und dies bevor die Kinder selbst erkranken oder Auffälligkeiten zeigen. Daher ist es nicht nur für Familien, sondern auch für Fachkräfte von Bedeutung zu wissen, dass diese Kinder Unterstützung brauchen und an wen sie sich im Bedarfsfall vertrauensvoll wenden können.

Die psychosoziale Arbeitsgruppe “Kinder psychisch belasteter Eltern” des Gemeindepsychiatrischen Verbundes des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte (GPV LK MSE) veröffentlichte aufgrund der oben geschilderten Umständen eine Broschüre für betroffene Familien als auch für Fachkräfte, welche mit psychisch erkrankten Eltern arbeiten, um auf die bestehenden Unterstützungsangebote in der Region aufmerksam zu machen.

Die Broschüre kann hier heruntergeladen werden.

Abgehängt und chancenlos? – Teilhabechancen und -risiken von Menschen mit schweren psychischen Beeinträchtigungen

Teilhabe ist das Schlüsselkonzept sozialpsychiatrischer Praxis in der Eingliederungshilfe. Gleichzeitig ist der Teilhabebegriff bislang konturlos: Die theoretische Ableitung und differenzierte Informationen über Teilhabechancen und -risiken von Menschen mit schweren psychischen Beeinträchtigungen in der Eingliederungshilfe fehlten bislang.

In der BAESCAP-Studie wurden diejenigen gefragt, die sonst bei jeder großen Erhebung außen vor bleiben: fast 1900 Nutzer*innen sozialpsychiatrischer Leistungen mit schweren psychischen Erkrankungen. Sie wurden befragt zu ihrer Familiensituation, zu Freundschaften, zu ihrer Ausbildung, zum Beruf und zu ihren Stigmaerfahrungen. Welche Teilhabemöglichkeiten und -hindernisse erleben sie?

Die Ergebnisse der Studie liefern erste Antworten: Trotz Eingliederungshilfe sind sie vielfach abgehängt und chancenlos.

Doch was bedeutet Teilhabe, das Schlüsselkonzept sozialpsychiatrischer Praxis, eigentlich konkret und wie kann sie theoretisch abgeleitet werden? Welche Facetten des Lebens greifen wir heraus, welche sind wichtig? Die Autorinnen und Autoren verankern Teilhabe auf theoretischer Ebene im Capabilities Approach, sie diskutieren den Teilhabebegriff auch vor dem Hintergrund des neuen Bundesteilhabegesetzes und sie zeigen auf, was auf sozialpolitischer Ebene nötig ist.

Informationen zu den Herausgebern: Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V., gegründet 1995, ist der unabhängige Fachverband von Anbietern, die im Land Mecklenburg- Vorpommern in der Unterstützung psychisch kranker und behinderter Menschen unmittelbar tätig sind. Er setzt sich ein für eine an der Person des Einzelnen orientierte Psychiatrie und damit für eine dauerhafte soziale Integration und gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe. Prof. Dr. Andreas Speck lehrt und forscht zu Sozialpsychologie, Sozialpsychiatrie und Gender/Diversity im Fachbereich Soziale Arbeit, Bildung und Erziehung der Hochschule Neu­brandenburg, er ist im Vorstand des Instituts für Sozialpsychiatrie Mecklenburg­-Vorpommern e. V. Prof. Dr. Ingmar Steinhart, Diplompsychologe, Vorstand v. Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel, Direktor Institut für Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. An-Institut der Universität Greifswald, Vorstandsmitglied Aktion Psychisch Kranke e.V.

Eine Rezension zum Buch finden Sie hier.

Rundum ambulant

Psychisch schwer erkrankte Menschen mit komplexem Behandlungsbedarf erhalten die notwendige Hilfe immer noch vorwiegend in der stationären Versorgung. Dabei zeigen die Erkenntnisse aus der internationalen Begleitforschung, dass stationäre Versorgung durch gute ambulante Arbeit ersetzt werden kann. Vor allem für Assertive Community Treatment, Home Treatment, Peerarbeit, Housing First oder Supported Employment liegt eine beeindruckende Evidenz vor. In Deutschland gibt es bisher wenig Erfahrung mit vergleichbaren Versorgungsmodellen. Ende 2016 brachten Ingmar Steinhart und Günther Wienberg das Buch „Rundum ambulant“ heraus. Ausgehend von dem Funktionalen Basismodell und der S3-Leitlinie Psychosoziale Therapie bei schweren psychischen Erkrankungen plädieren die Herausgeber für eine stärkere Etablierung multiprofessioneller gemeindeintegrierter Versorgung. In dem Fachbuch werden zahlreiche Modellprojekte aus dem deutschen Sprachraum vorgestellt und deren Umsetzung diskutiert.

Das Funktionale Basismodell psychiatrischer Versorgung in der Gemeinde richtet sich konsequent am psychisch erkrankten Menschen aus: Nicht die bestehenden Versorgungsstrukturen, sondern die Bedarfe und Bedürfnisse psychisch schwer erkrankter Menschen bestimmen die Perspektive. Das Buch beschreibt Behandlungs- und Unterstützungsfunktionen, erweckt sie an Beispielen zum Leben und definiert zugleich einen Mindeststandard für gemeindepsychiatrische Behandlungs- und Teilhabeleistungen. Ein Vademecum für Anbieter, Planer und Forschende!

Zu den Herausgebern: Prof. Dr. phil. Ingmar Steinhart, Diplompsychologe, Vorstand v. Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel, Direktor Institut für Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. An-Institut der Universität Greifswald, Vorstandsmitglied Aktion Psychisch Kranke e.V., Prof. Dr. P.H. Günther Wienberg, Jahrgang 1953, Dipl.-Psychologe, seit 2000 Mitglied im Vorstand der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel. Lehrbeauftragter an der Hochschule Fulda, Fachbereich Sozialwesen, Mitglied der Aktion Psychisch Kranke e. V.; Arbeitsschwerpunkte: Versorgung Abhängigkeitskranker, Psychoedukation, Prozesse und Strukturen der psychiatrischen Versorgung.

Eine Rezension zum Buch finden Sie hier.

Weitere Informationen zum Buch sind hier zu finden.