Versorgungssituation von sog. Systemsprengern in Mecklenburg-Vorpommern

In der psychiatrischen Fachwelt werden Zwangsmaßnahmen und geschlossene Unterbringungen gegenwärtig sehr kontrovers diskutiert. Ausgangspunkt bildet unter anderem die UN-Behindertenrechtskonvention sowie mehrere Gesetzesurteile des Bundesverfassungsgerichts und Bundesgerichtshofs. Eine Zielgruppe, die besonders häufig von Zwangsmaßnahmen und -behandlungen bedroht ist, sind erwachsene psychisch erkrankte Menschen mit herausfordernden Verhaltensweisen und komplexen Hilfebedarfen. In der Fachwelt hat sich zur Bezeichnung dieser Zielgruppe der umstrittene Begriff „Systemsprenger“ etabliert. 

Der Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. und das Institut für Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. beschäftigen sich bereits seit Anfang der 2000er Jahre im Rahmen von Forschungsprojekten und fachlichen Initiativen intensiv mit der stationären und außerklinischen Versorgungssituation von sogenannten „Systemsprengern“. Ende des letzten Jahres wurden die Erkenntnisse und der aktuelle Forschungsstand in einem Bericht zur „Versorgungssituation von sogenannten Systemsprengern in Mecklenburg-Vorpommern“ veröffentlicht und Empfehlungen für die Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern zusammengefasst.

Anhand der Erkenntnisse kann für Mecklenburg-Vorpommern konstatiert werden, dass sich die Versorgungssituation gerade für psychisch erkrankte Menschen mit komplexen Hilfebedarfen in den letzten zehn Jahren verschlechtert hat. So werden häufig als wichtigste Gründe für die Unterbringung nicht personenbezogene Faktoren wie Aggressivität, Suizidalität oder die Schwere der Erkrankung genannt, sondern das Fehlen von geeigneten passgenauen Unterstützungsangeboten insbesondere im ambulanten Bereich. Auch die Anzahl der untergebrachten Personen aus anderen Bundesländern hat sich aufgrund von unzureichenden Steuerungsprozessen verdoppelt (Psychiatrietourismus). 

Hier zeigt sich, dass es in Mecklenburg-Vorpommern in vielen Bereichen der psychiatrischen Versorgung bisher nicht gelungen ist, die Forderungen der UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. Gleichzeitig sind die Aktivitäten der landesweiten und regionalen psychiatrischen Fachgremien sowie allgemeinen Steuerungsprozesse in der Hilfeplanung (Gesamtplanverfahren, Teilhabeplanverfahren) in den letzten Jahren (nicht nur durch die COVID-19-Pandemie) sehr stark zurückgegangen, so dass die Entwicklung von passgenauen und alternativen Unterstützungsangeboten für diese Zielgruppe nur schwer umgesetzt werden kann und Versorgungsbedarfe nicht sichtbar werden. 

Zur Verbesserung der Versorgungssituation von sogenannten „Systemsprengern“ empfiehlt der Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. unter anderem folgende Maßnahmen:  

  • die Entwicklung von passgenauen und flexiblen personenzentrierten Hilfen für diese Zielgruppe im Rahmen des Gesamtplanverfahrens und der Teilhabeplanung,  
  • eine stärkere regionale Vernetzung zwischen dem stationären und außerklinischen Bereich,  
  • die Etablierung einer Expert*innenkommission zur Entwicklung von alternativen Lösungsvorschlägen im Falle einer geschlossenen Unterbringung,  
  • Regionale Steuerungs- und Pflichtversorgung psychisch erkrankter Menschen unter Berücksichtigung des individuellen Wunsch- und Wahlrechts zur Einschränkung des Psychiatrietourismus und  
  • Stärkere Thematisierung von Zwangsmaßnahmen und Maßnahmen zur Prävention von Zwang in den einzelnen Kommunen. 

Der Bericht „Aktuelle Versorgungssituation von sogenannten Systemsprengern in Mecklenburg-Vorpommern“ kann in einer Lang- und in einer Kurzfassung hier heruntergeladen werden.

Darüber hinaus möchten wir Sie an unser virtuelles Diskussionsforum Zwang am 05.02.2021 zwischen 10:00 – 12.00 Uhr erinnern. Ausgehend von den Erkenntnissen des Berichtes sollen versorgungsrelevante Zusammenhänge, Lösungsmöglichkeiten zur Prävention von Zwangsmaßnahmen und -behandlungen sowie Verbesserungen der Versorgungssituation von psychisch erkrankten Menschen mit komplexen Hilfebedarfen zusammen mit Angehörigen, Expert*innen aus der Forschung und Praxis sowie mit Expert*innen aus eigener Erfahrung diskutiert und erarbeitet werden.

Untersuchung zur Versorgungssituation von Kindern aus psychisch und/oder suchtbelasteten Familien in Mecklenburg-Vorpommern

Psychische Erkrankungen von Eltern können sich nachteilig auf die Familie und Elternschaft auswirken. So weisen Kinder mit psychisch erkrankten Eltern ein hohes Risiko auf, selbst eine psychische Störung zu entwickeln. In der Praxis fehlt es häufig an bedarfsgerechten Unterstützungsangeboten für Eltern mit psychischen Erkrankungen oder Kindern von psychisch belasteten Eltern. In den vergangenen Jahren fand die Problematik von Kindern psychisch und/oder suchtbelasteter Eltern zunehmend Interesse in der Fachöffentlichkeit. Im Zuge dieses Interesses entstanden zahlreiche Projekte deren Schwerpunkt darin besteht, psychischen Auffälligkeiten von Kindern aufgrund familiärer psychischer Belastungen entgegenzuwirken.

Im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit Mecklenburg-Vorpommern führte das Institut für Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. in Kooperation mit der Universitätsmedizin Rostock eine Untersuchung zur aktuellen Versorgungslandschaft für Kinder aus psychisch und/oder suchtbelasteten Familien in Mecklenburg-Vorpommern durch. Das Ziel der Untersuchung bestand darin, Handlungsvorschläge für die Verbesserung der Situation von Kindern mit psychisch und/oder suchtbelasteten Familien in Mecklenburg-Vorpommern zu entwickeln.

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass die Vernetzung und Kooperation der einzelnen zuständigen Akteur*innen (Jugendämter, Kliniken, Schulen, Kindertagestätten etc.) ausbaufähig ist. Viele der Angebote für diese Zielgruppe befinden sich im städtischen Bereich, sodass insbesondere für Kinder aus dem ländlichen Bereich eine Unterversorgung und mangelnde Erreichbarkeit zu den Angeboten besteht. Zudem mangelt es an alterskontinuierlichen Angeboten, insbesondere für Kinder im Grundschulalter und im Jugendalter. Hierbei handelt es sich um sensible Phasen, welche durch Übergänge und altersspezifische Herausforderungen geprägt sind und besondere Unterstützung benötigen. Darüber hinaus sind viele der Unterstützungsangebote im Rahmen von Projektförderstrukturen zeitlich befristet. Eine systematische Einbeziehung der vorhandenen Angebote in die etablierten Versorgungsstrukturen für Familien mit psychischen und/oder suchtbezogenen Belastungen konnte nicht identifiziert werden, sodass sich hier Handlungsbedarfe ergeben.

Zusammenfassend können auf der Grundlage der Erkenntnisse folgende Empfehlungen abgeleitet werden:

  • der Aufbau eines regionalen, verbindlichen Netzwerks zur systematisierten Kooperation und verbesserten Kommunikation zwischen den verschiedenen Hilfesystemen (v. a. Kinder- und Jugendhilfe, Erwachsenenpsychiatrie und Kinder- und Jugendpsychiatrie, Eingliederungshilfe, niedergelassene Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen, Schule, Psychiatrieerfahrene, Angehörige, etc.) einschließlich der Klärung von Verantwortlichkeiten und Festlegung verbindlicher Ansprechpartner*innen in den unterschiedlichen Unterstützungssystemen
  • die Stärkung des interdisziplinären Versorgungssystems und SGB-übergreifender Leistungen für psychisch und suchtbelastete Familien, z. B. in Form von schriftlichen Kooperationsverträgen und/oder der Etablierung verbindlicher, interdisziplinärer, kollegialer Fallbesprechungen (Jugendamt und Gesundheitsamt) zur Feststellung des familienspezifischen Bedarfes und zur Klärung der Leistungsfinanzierung
  • die Verortung der regionalen Steuerung in den Verantwortungsbereich der Kinder- und Jugendhilfe und des Öffentlichen Gesundheitsdienstes
  • der Aufbau verbindlicher und multidisziplinärer Koordinationsstrukturen nicht nur auf kommunaler Ebene, sondern auch auf landesweiter Ebene, insbesondere ineinandergreifender Prozesse von Sozial-, Psychiatrie- und Jugendhilfeplanung
  • der flächendeckende Ausbau und die nachhaltige Umsetzung bedarfsgerechter und alterskontinuierlicher Angebote für die Zielgruppe “Kinder aus psychisch und/ oder suchtbelasteten Familien”, die nur über gesicherte Finanzierungsstrukturen gelingen kann
  • die systematisierte, quantitative Erhebung der Zielgruppe, die Identifizierung fehlender oder nicht ausreichend angepasster Hilfen in den verschiedenen Versorgungsregionen sowie standardisierte Dokumentation und Evaluation der bestehenden Hilfsangebote
  • eine abgestimmte Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen und Suchterkrankungen in den Lebenswelten von Kindern, Jugendlichen und Familien sowie die Entwicklung von Fortbildungsmaßnahmen für Fach- und Lehrkräfte und die Bereitstellung zielgruppengerechter Informationen in allen beteiligten Institutionen
  • die Förderung der Inanspruchnahme und zugleich die Sensibilisierung nicht-professioneller Angebote im Sozialraum, sodass eine langfristige, nicht-stigmatisierende Unterstützung gelingen kann (z. B. in Schulen, KiTas, Kultur- und Sportvereinen).

Weitere Informationen finden Sie hier im vollständigen Abschlussbericht:

Selbstbestimmung stärken – Zwang vermeiden

Das Selbstbestimmungsrecht steht seit längerem im Fokus des Gesetzgebers. Nicht erst die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention fordert Deutschland auf, eine Aufwertung des Selbstbestimmungsrechtes für Menschen mit psychischen Erkrankungen zu vollziehen. Die Verabschiedung des Patient*innenverfügungsgesetzes, die Novellierung des Betreuungsrechtes in den Neunzigerjahren mit der Orientierung des Betreuerhandelns an den subjektiven Wünschen der zu betreuenden Personen oder aber auch die Novellierung der PsychischKranken-Gesetze der Länder und des Maßregelvollzuges sind Beispiele, die diese Entwicklung vorangetrieben haben. Das Recht auf Selbstbestimmung des Menschen im Hinblick auf den Umgang mit seiner Erkrankung, seinem Leiden und seinem Genesen, die Stärkung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Hinblick auf Grundrechtseingriffe und das Bestimmen der eigenen Ziele im Hinblick auf die Möglichkeiten des Beteiligtseins und des Einbringens in gesellschaftliche Prozesse und Systeme. All das bildet einen (neuen) Rahmen und hat einen enormen Einfluss für und auf die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen.

Die Tagung des Landesverbandes Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. und des Institutes für Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. am 5.-6. Juni 2019 mit dem Titel „Selbstbestimmung und Zwang – in Zeiten sozialpolitischer Umbrüche“ hat intensiv ausgelotet, welche Auswirkung diese Forcierung der Selbstbestimmung auf die sozialpsychiatrische Versorgung hat. Die Tagung hat sich mit den Fragen beschäftigt, ob die reformierte Eingliederungshilfe als modernes Teilhaberecht den Anspruch einer Stärkung der Selbstbestimmung tatsächlich einlösen kann? Was bedeutet dies für die sozialpsychiatrische Hilfelandschaft in Mecklenburg-Vorpommern und welche fachlichen Entwicklungen sind hier zu fordern, um dieses Recht auch einzulösen? Bei der Betrachtung des Themas Selbstbestimmung ging es aber auch darum zu beleuchten, wie es sich bei all diesen Entwicklungen mit dem Thema Zwang verhält. Neben dem Bundesteilhabegesetz war ein weiterer Schwerpunkt der Tagung die Präsentation der Ergebnisse aus der bundesweiten ZIPHER-Studie (Zwangsmaßnahmen im psychiatrischen Hilfesystem – Erfassung und Reduktion) zu den Themen psychiatrische Kliniken, Versorgungsstrukturen und Zwangsmedikation, Geschlossene Wohnheime. Wo und wie findet Zwang statt und welche Schlussfolgerungen für fachliches Handeln lassen sich daraus ziehen?

Bei all den gesetzlichen Neuerungen, fachlichen Erkenntnissen und dem propagierten Wandel muss die zentrale Frage gestellt werden, was kommt letztlich für den Menschen mit Behinderung / psychischer Erkrankung heraus? Wird es alter Wein in neuen Schläuchen sein? Bei all den neuen Schildern, Etiketten, neuen Verpreislichungen, neuen Modulen und Leistungsbeschreibungen, dem neuen Gesamtplanverfahren und dem neuen Bedarfsermittlungsinstrument – bei all dem Neuen? Bekommt alles nur einen neuen Namen? Wird das BTHG zum Bürokratiemonster, dass die Menschen mit Behinderungen als Leistungsberechtigte perfekt verwaltet? Oder gelingt eine tatsächliche Verbesserung der Situation von Menschen mit Behinderungen? Haben sie tatsächlich bessere Möglichkeiten auf Teilhabe und auf Selbstbestimmung?

Ausgehend von der Fachtagung „Selbstbestimmung und Zwang – in Zeiten sozialpolitischer Umbrüche“ des Landesverbandes Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. und des Instituts Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. wurde ein Eckpunktepapier formuliert, das sich mit diesen zentralen Fragen beschäftigt und die zentralen Ergebnisse der Tagung beinhaltet.

Das Eckpunktepapier und der Flyer der Tagung kann hier heruntergeladen werden.

Weitere Informationen zur ZIPHER-Studie (Zwangsmaßnahmen im psychiatrischen Hilfesystem – Erfassung und Reduktion) finden Sie hier. Weitere Präsentationen der Tagung können hier eingesehen werden.

Abgehängt und chancenlos? – Teilhabechancen und -risiken von Menschen mit schweren psychischen Beeinträchtigungen

Teilhabe ist das Schlüsselkonzept sozialpsychiatrischer Praxis in der Eingliederungshilfe. Gleichzeitig ist der Teilhabebegriff bislang konturlos: Die theoretische Ableitung und differenzierte Informationen über Teilhabechancen und -risiken von Menschen mit schweren psychischen Beeinträchtigungen in der Eingliederungshilfe fehlten bislang.

In der BAESCAP-Studie wurden diejenigen gefragt, die sonst bei jeder großen Erhebung außen vor bleiben: fast 1900 Nutzer*innen sozialpsychiatrischer Leistungen mit schweren psychischen Erkrankungen. Sie wurden befragt zu ihrer Familiensituation, zu Freundschaften, zu ihrer Ausbildung, zum Beruf und zu ihren Stigmaerfahrungen. Welche Teilhabemöglichkeiten und -hindernisse erleben sie?

Die Ergebnisse der Studie liefern erste Antworten: Trotz Eingliederungshilfe sind sie vielfach abgehängt und chancenlos.

Doch was bedeutet Teilhabe, das Schlüsselkonzept sozialpsychiatrischer Praxis, eigentlich konkret und wie kann sie theoretisch abgeleitet werden? Welche Facetten des Lebens greifen wir heraus, welche sind wichtig? Die Autorinnen und Autoren verankern Teilhabe auf theoretischer Ebene im Capabilities Approach, sie diskutieren den Teilhabebegriff auch vor dem Hintergrund des neuen Bundesteilhabegesetzes und sie zeigen auf, was auf sozialpolitischer Ebene nötig ist.

Informationen zu den Herausgebern: Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V., gegründet 1995, ist der unabhängige Fachverband von Anbietern, die im Land Mecklenburg- Vorpommern in der Unterstützung psychisch kranker und behinderter Menschen unmittelbar tätig sind. Er setzt sich ein für eine an der Person des Einzelnen orientierte Psychiatrie und damit für eine dauerhafte soziale Integration und gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe. Prof. Dr. Andreas Speck lehrt und forscht zu Sozialpsychologie, Sozialpsychiatrie und Gender/Diversity im Fachbereich Soziale Arbeit, Bildung und Erziehung der Hochschule Neu­brandenburg, er ist im Vorstand des Instituts für Sozialpsychiatrie Mecklenburg­-Vorpommern e. V. Prof. Dr. Ingmar Steinhart, Diplompsychologe, Vorstand v. Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel, Direktor Institut für Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. An-Institut der Universität Greifswald, Vorstandsmitglied Aktion Psychisch Kranke e.V.

Eine Rezension zum Buch finden Sie hier.

Sozialräume in der Hansestadt Rostock. Eine wissenschaftliche Analyse

Die Gestaltung des demographischen Wandels ist für die kommunale Gebietskörperschaft eine facettenreiche Aufgabe und Herausforderung. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Versorgung älterer Bürger*innen mit dementiellen und/oder anderen Erkrankungen. Um die Ausweitung stationärer Heimplätze auf das notwendige Maß zu begrenzen, sollte unserer Erachtens das politische Handeln in den Kommunen die ambulante Versorgung deutlich stärken. Einen besonderen Stellenwert nimmt dabei die sozialräumliche Fokussierung der Pflege- und Sozialplanung ein. Mit dem Konzept „Sozialraum“ ist einerseits ein geographisch abzugrenzendes Territorium („Südstadt“) gemeint, der mit objektiven Kennzahlen beschreibbar ist: Einwohnerzahl, Altersstruktur etc. Andererseits ist ein Sozialraum aber auch ein subjektiv vermittelter Raum, in dem sich das Alltagsleben der Menschen konkret vollzieht und der so von den individuellen Wahrnehmungen und Deutungen geprägt ist. Das gilt besonders für ältere Menschen, deren Mobilität oft sehr eingeschränkt sein kann und die in ihrem unmittelbaren Alltagsvollzug von dem Sozialraum mit seinen konkreten Ressourcen und Begrenzungen abhängig sind. Das gilt besonders dann, wenn eine Pflegebedürftigkeit oder eine chronische Erkrankung vorliegt oder sich zu entwickeln droht. Dann werden folgende Fragen drängend: Wie ist die Infrastruktur konkret gestaltet? Wie barrierearm oder barrierefrei ist die Wohnsituation? Wo hindern bauliche Barrieren den Zugang zu wichtigen Einrichtungen wie Ärzten, Ämtern oder den Supermarkt? Welche Qualität hat die Nachbarschaft oder das Vereinsleben? Wie erreichbar sind familiäre Netzwerke? Wer kann bei drohender oder akuter Pflegebedürftigkeit im Sozialraum beraten?

Um die ambulante Versorgung von älteren Menschen zu stärken, muss die sozialräumliche Infrastruktur unter Beteiligung aller dort lebenden Bürger*innen weiterentwickelt werden. Ausgehend von dieser Zielstellung führte der Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. in der Südstadt und dem Stadtteil Lütten Klein eine Sozialraumanalyse im Rahmen des gerontopsychiatrischen Modellprojektes „Länger leben in Mecklenburg-Vorpommern“ durch. Dieses Modellprojekt wurde vom Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Mecklenburg-Vorpommern finanziell unterstützt. Eine zusätzliche Unterstützung kam – für die Analyse in Lütten Klein – von der Hansestadt Rostock.

Die Ergebnisse der Sozialraumanalyse und weitere Informationen zum Projekten finden Sie hier.