Eine besondere Rolle nimmt hier das Bundesteilhabegesetz ein. Die Einführung der im Bundesteilhabegesetz vorgegebenen Instrumente wie der ITP M-V oder das Verfahren zur Gesamtplanung werden in Mecklenburg-Vorpommern noch unterschiedlich gehandhabt, haben jedoch Einfluss auf alle Bereiche der Versorgung von psychisch erkrankten Menschen. Obwohl sich das Bundesteilhabgesetz seit zwei Jahren in der Umsetzung befindet, kam es in Mecklenburg-Vorpommern auch noch nicht zur Umsetzung des gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrens der Teilhabeplanung. Insbesondere für psychisch erkrankte Menschen mit komplexen Unterstützungsbedarfen wirkt sich diese Situation sehr benachteiligend aus. Bisher gibt es in den einzelnen Landkreisen auch keine einheitlichen Standards und Vorgehensweisen zur Umsetzung des Landesrahmenvertrages. Jetzt schon wird deutlich, dass die besondere Spezifik psychischer Behinderungen gemäß § 1 SGB IX nicht ausreichend Beachtung findet.
- Welche Rolle spielt die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Ihrer Sozialpolitik?
- Gibt es politische Initiativen von Ihrer Seite, die eine einheitliche Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Mecklenburg-Vorpommern fördern?
- Wie sorgen Sie in Ihrer Sozialpolitik für die Beachtung der besonderen Belange von Menschen mit Behinderungen im konkreten Umsetzungsprozess in Mecklenburg-Vorpommern?
5. Überwindung der Schnittstellenproblematiken in der Versorgung von Kindern und jungen Erwachsenen mit psychischen Belastungen
Kinder und Jugendliche mit psychischen Beeinträchtigungen und Belastungen gehören vor allem in Mecklenburg-Vorpommern zu einer therapeutisch und psychosozial unterversorgten Zielgruppe. Besonders bei diesem Personenkreis kommt es im Zuge der Unterversorgung zu langfristigen psychischen und sozialen Folgen wie schweren depressiven Störungen, einem geringen Selbstwertgefühl, einem höheren Manifestationsrisiko von chronischen psychischen Erkrankungen, familiären Konflikten, sozialer Isolation, Suizidgedanken, Leistungsversagen oder Schul- und Ausbildungsabbrüchen. Nicht selten geht der frühe Krankheitsbeginn mit negativen Auswirkungen auf die Schwere sowie auf den Verlauf der psychischen Störung einher, was im Erwachsenenalter zu Beeinträchtigungen in der Teilhabe am Arbeitsleben, zur gesellschaftlichen Exklusion oder auch zur langfristigen Inanspruchnahme von Leistung zur sozialen Teilhabe führt.
Neben den oben genannten Umständen kommt erschwerend hinzu, dass die differenzierten Behandlungs- und Betreuungsangebote für Adoleszente im psychiatrischen als auch im psychosozialen Bereich vielfach von Schnittstellen und Brüchen aufgrund der formalen Altersgrenze von 18 Jahren gekennzeichnet sind und insgesamt als unzureichend beschrieben werden müssen. Zudem bewegen sich die vorhandenen Unterstützungsleistungen in einem außerordentlichen komplexen sozialrechtlichen Gefüge. Dementsprechend sind die Jugendlichen, jungen Erwachsene und deren Eltern mit einer Vielzahl an Institutionen, entsprechenden formalen Verfahren und Personen konfrontiert, was zu erheblichen Herausforderungen hinsichtlich der Zugänge zu geeigneten und passgenauen Hilfeangeboten führt. Trotz des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes hat sich an dieser Situation in Mecklenburg-Vorpommern noch nichts verbessert.
Allgemein bedarf es neben der stärkeren Förderung von Unterstützungsangeboten in diesem Bereich, einer stärkeren Flexibilisierung von Hilfeangeboten an der Schnittstelle zwischen Kinder- und Jugendhilfe, Kinder- und Jugendpsychiatrie und Erwachsenenpsychiatrie sowie der Entwicklung von neuen Angeboten, um psychisch belastete Adoleszente in den Bildungs- und Arbeitsbereichen besser zu integrieren.
- Gibt es in Ihrer Sozial- und Gesundheitspolitik Initiativen, um die sehr starke fragmentierte Versorgung von Kinder- und Jugendlichen mit psychischen Beeinträchtigungen in Mecklenburg-Vorpommern hin zu mehr Flexibilität zu verbessern?
- Inwiefern unterstützt Ihre Politik die Entwicklung von neuen Unterstützungsangeboten und die Weiterentwicklung von bestehenden Unterstützungsangeboten für Kinder- und Jugendliche mit psychischen Beeinträchtigungen?
6. Aufwertung der Gesundheits- und Sozialberufe in Mecklenburg-Vorpommern
Gerade die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig ein intaktes Sozial- und Gesundheitssystem für den sozialen Zusammenhalt und für die Kompensation von gesellschaftlichen Krisen ist und welche wichtige Rolle die dort tätigen Mitarbeitenden trotz der Doppelbelastung und gesundheitlichen Gefahr aufgrund eines höheren Infektionsrisikos übernehmen. Berufsgruppen wie Altenpflege, Krankenpflege, Soziale Arbeit oder Heilerziehungspflege gehören auch zu den Berufsgruppen, die am häufigsten von Arbeitsausfällen durch psychische Belastungen infolge der Arbeitsbelastungen betroffen sind. In den letzten Jahren ist dieser Trend deutlich angestiegen und das Thema Arbeit und psychische Gesundheit hat an Bedeutung gewonnen.
- Wird das Thema psychische Gesundheit und Arbeit in Ihrer Politik aufgeworfen?
- Gibt es bei Ihnen konkrete Initiativen, die präventive Maßnahmen zur psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz unterstützen?
- Werden die Gesundheits- und Sozialberufe in Ihrer politischen Agenda insgesamt berücksichtigt und damit deren gesellschaftliche Relevanz auch außerhalb von Pandemie und Krisenzeiten notwendigerweise aufgewertet?