Die neue Broschüre “Qualitätsstandards zur Umsetzung des Gesamtplan-verfahrens für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen”

Die neue Broschüre “Qualitätsstandards zur Umsetzung des Gesamtplanverfahrens für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen”

In Deutschland weisen jedes Jahr etwa 28 % der Bürger*innen Merkmale von mindestens einer psychischen Erkrankung auf. Davon leiden 1 bis 2 % an den langanhaltenden und schweren Auswirkungen ihrer Erkrankung, wodurch sie deutliche Einschränkungen in den verschiedenen Funktions- und Lebensbereichen (z. B. Ausbildung, Beruf, Wohnen oder Kommunikation) und komplexe Behandlungsbedarfe aufweisen sowie medizinische Behandlungen oder psychosoziale Unterstützungsleistungen beanspruchen.

In der Eingliederungshilfe nach §§ 90 ff. SGB IX beträgt der Anteil von Menschen mit psychischen Erkrankungen rund 51 %. Davon erhalten 71 % Unterstützung in der eigenen Wohnung und 29 % in besonderen Wohnformen. Etwa 20 % nehmen Leistungsangebote in Werkstätten für behinderte Menschen in Anspruch. Diese Angaben machen deutlich, dass es sich bei der Gruppe der Menschen mit psychischen Erkrankungen im Bereich der Eingliederungshilfe, um eine bedeutende Gruppe von Nutzer*innen handelt.

Um eine personenzentrierte und am individuellen Bedarf ausgerichtete Teilhabeplanung im Bereich der Eingliederungshilfe zu ermöglichen, wurde mit dem Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz) das Gesamtplanverfahren (§ 117 SGB IX) als ein Verfahren zur Ermittlung des individuellen Unterstützungsbedarfes verankert.

Psychisch erkrankte Menschen weisen in der Kommunikation, in der Wahrnehmung aber auch in der Ausprägung ihrer Beeinträchtigungen verschiedene Bedarfe auf, wodurch Barrieren und Besonderheiten in der Umsetzung des Gesamtplanverfahrens entstehen, die eine aktive Einbeziehung der Menschen in die einzelnen Schritte des Gesamtplanverfahrens und die Koordination von Leistungen der Eingliederungshilfe erschweren können.

Im Rahmen der Qualitätsstandards möchte die Landesarbeitsgruppe Gesamtplan-/ Teilhabeplanverfahren des Landesverbandes Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V., welche sich aus Akteur*innen der Leistungsträger, Leistungserbringer und der Selbsthilfe des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern zusammensetzt, auf die besonderen Belange in der Umsetzung und Durchführung des Gesamtplanverfahrens bei Menschen mit psychischen Erkrankungen eingehen. Die Qualitätsstandards richten sich an alle Akteur*innen, die im Antragsverfahren, in der Umsetzung des Gesamtplanverfahrens und in der Koordination von Leistungen der Eingliederungshilfe beteiligt sind.

Die Broschüre kann hier als freie PDF heruntergeladen und gerne weiter verteilt werden.

Wenn Sie die Inhalte der Broschüre und die Aktivitäten der Landesarbeitsgruppe Gesamt-/ Teilhabeplanverfahren besser kennenlernen wollen, möchten wir Sie zu einem Online-Austausch am 23. Mai 2022 von 10:00 bis 11:30 Uhr einladen. Bei Interesse können Sie sich unter dem Stichwort „Broschüre Qualitätsstandards Gesamtplanverfahren“ bis spätestens zum 16. Mai 2022 unter: lv@sozialpsychiatrie-mv.de anmelden.

Ankündigung Themenheft zur Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe

Ankündigung Themenheft zur Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe

Mit der Einführung des Bundesteilhabegesetzes verpflichten sich die Leistungserbringer mit § 131 SGB IX im Rahmen der Erbringung von Leistungen zur sozialen Teilhabe einheitliche Rahmenverträge abzuschließen, welche neben den Vergütungspauschalen, den Vergütungsbeiträgen, den Kostenarten, den Kostenbestandteilen und den Personalrichtwerten auch Grundsätze der Qualitätssicherung und der Wirksamkeitsdokumentation von Leistungen zur sozialen Teilhabe beinhalten.

Mit diesem Vorgehen wurden die Prüfrechte der Leistungsträger gesetzlich gestärkt. Das Bundesteilhabegesetz zielt mit § 131 SGB IX einerseits darauf ab eine einheitliche Dokumentation der Wirksamkeit von Leistungen zur sozialen Teilhabe in der Praxis zu etablieren und anderseits eine effiziente Steuerung und Korrektur von Leistungen zur sozialen Teilhabe im Sinne der leistungsberechtigten Person zu ermöglichen. In vielen Bundesländern ist jedoch unklar, welche Verfahren zur Wirksamkeitsmessung geeignet sind. Auch in Mecklenburg-Vorpommern wurde in der Anlage 7 im Landesrahmenvertrag ein angebotsbezogenes Vorgehen zur Wirksamkeitsmessung skizziert. Darüber hinaus kritisieren Expert*innen, dass mit der gesetzlich etablierten Wirksamkeitsmessung die Ökonomisierungstendenzen in der psychosozialen Praxis verschärft werden.

Im Rahmen eines Themenheftes nährt sich der Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. dem Thema der Wirksamkeit und Wirksamkeitsmessung von Leistungen zur sozialen Teilhabe bei Menschen mit psychischen Erkrankungen an. Mehrere Autor*innen aus der Praxis, Selbsthilfe und Wissenschaft geben in ihren Beiträgen einen Einblick in die Herausforderungen sowie in die allgemeinen Grundlagen der Wirksamkeitsevaluation und diskutieren verschiedene Methoden der Wirksamkeitsmessung. Dabei werden vor allem die besonderen Belange von Menschen mit psychischen Erkrankungen sowie die Versorgungsbedingungen in Mecklenburg-Vorpommern berücksichtigt.

Das Themenheft erscheint voraussichtlich am 28. April 2022 und kann hier auf der Internetseite als PDF frei heruntergeladen werden.

Rückblick auf das Projektforum der LaKo KipsFam am 02. März 2022

Rückblick auf das Projektforum der LaKo KipsFam am 02. März 2022

Kinder aus psychisch und/ oder suchtbelasteten Familien sind aufgrund der Erkrankung ihrer Eltern in der Entwicklung mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert, wodurch ein höheres Risiko entsteht, selbst im erwachsenen Alter eine psychische Erkrankung oder andere soziale oder gesundheitliche Beeinträchtigungen zu entwickeln. Für Eltern mit psychischen Beeinträchtigungen und ihren Kindern sind in Deutschland niedrigschwellige und multiprofessionelle Informations-, Beratungs- und Unterstützungsangebote noch unzureichend vorhanden.

In Mecklenburg-Vorpommern wurde die aktuelle Situation von Kindern mit psychisch erkrankten Eltern im Rahmen der Landeskoordination Kinder aus psychisch und/ oder suchtbelasteten Familien (LaKo KipsFam) 2020 als versorgungsrelevantes Thema aufgenommen. Die LaKo KipsFam fördert die Entwicklung eines koordinierten und vernetzten Unterstützungssystems für psychisch und/ oder suchtbelastete Familien in Mecklenburg-Vorpommern.

Am 02. März 2022 fand am Nachmittag das Projektforum der LaKo KipsFam statt. Im Rahmen des Projektforums wurden neben einem allgemeinen Austausch zur Problematik, neue Ideen und Strategien für die Vernetzung und kooperative Zusammenarbeit in den verschiedenen Regionen von Mecklenburg-Vorpommern entwickelt, um die Situation der betroffenen Kinder, Jugendlichen und ihren Eltern zu verbessern. Mit der Unterstützung von Schabernack Zentrum für Praxis & Theorie der Jugendhilfe e.V. konnte die Veranstaltung in digitaler Form für alle interessierten Teilnehmer*innen aus Güstrow übertragen werden.

Insgesamt nahmen über 180 interessierte Teilnehmer*innen an der Veranstaltung teil, die sich aus verschiedenen Regionen von Deutschland, Österreich und Schweiz zugeschaltet haben. Maren Gäde von Schabernack e.V. unterstützte dabei alle Teilnehmer*innen bei der technischen Umsetzung. Die Projektmitarbeiterinnen der LaKo KipsFam Dr. Kristin Pomowski vom Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. und Franziska Berthold von der GGP Gruppe Rostock mbH moderierten die Veranstaltung und führten alle Teilnehmer*innen durch das Programm.

Zu Beginn der Veranstaltung wurde der Trailer des Filmprojektes “Wir sind hier” der Regisseurin Andrea Rothenburg ausgestrahlt, um auf die allgemeine Situation von Kindern psychisch und/ oder suchtbelasteten Eltern aufmerksam zu machen und die Teilnehmer*innen für das Thema zu sensibilisieren. Danach eröffnete die Ministerin von Mecklenburg-Vorpommern für Soziales, Gesundheit und Sport Stefanie Drese die Veranstaltung. In ihrem Grußwort ging die Ministerin auf die besondere Lebenssituation von Kindern psychisch und suchterkrankter Menschen ein. Sie betonte die Wichtigkeit der Aktivitäten der LaKo KipsFam und beschrieb Handlungsbedarfe im Bereich der Prävention, im Bereich des Austausch zwischen Fachkräften, im Bereich Fortbildung sowie im Bereich der Entwicklung von speziellen Unterstützungsangeboten für diese Zielgruppe. Auch die Leiterin der Bildungsstätte Schabernack e.V. Dr. Susanne Braun begrüßte alle Teilnehmer*innen und wies auf den besonderen Charakter der Veranstaltung hin, der den interprofessionellen Austausch zwischen den verschiedenen regionalen Akteur*innen in der Versorgung von Kindern aus psychisch und/ oder suchtbelasteten Familien unterstützt.

Nach den Grußwörtern gab Prof. Dr. Michael Kölch von der Klinik für Psychiatrie, Neurologie, Psychosomatik und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter an der Universitätsmedizin Rostock im Rahmen eines Fachvortrages einen Einblick in die bundesweite Versorgungssituation von Kindern aus psychisch und/ oder suchtbelasteten Familien. Danach berichteten Franziska Berthold und Dr. Kristin Pomowski über die Hintergründe und über die aktuellen Aktivitäten der LaKo KipsFam.

Im Anschluss der Impulsvorträge konnten sich die Teilnehmer*innen in mehreren Markplatzcafés über verschiedene regionale Projekte und Initiativen zur Thematik informieren. Hierzu gehörten:

Nach einer kurzen Pause wurde den Teilnehmer*innen in verschiedenen regionalorganisierten und moderierten Räumen die Möglichkeit gegeben sich über die Thematik von Kindern aus psychisch und/ oder suchtbelasteten Familien auszutauschen, sich zu vernetzen und gemeinsam Empfehlungen für eine Verbesserung der Unterstützung in den einzelnen Regionen von Mecklenburg-Vorpommern zu entwickeln. Abschließend gab Juliane Tausch einen Einblick zu den aktuellen Initiativen der Hansestadt Hamburg für Kinder aus psychisch und/ oder suchtbelasteten Familien. Sie stellte das Projekt A:aufklaren | Expertise & Netzwerk für Kinder psychisch erkrankter Eltern des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes aus Hamburg vor und berichtete über die Projekterfahrungen. Zum Abschluss der Veranstaltung verabschiedeten Dr. Kristin Pomowski und Franziska Berthold die Teilnehmer*innen.

Im Namen der Veranstalter*innen bedanken wir uns bei allen Teilnehmer*innen, Referent*innen und Kooperationspartner*innen für den Austausch sowie für die Unterstützung der Tagung. Die Dokumentation aus den regionalen Arbeitsgruppen und Präsentationen der Vorträge werden allen Interessierten im nächsten Newsletter der LaKo KipsFam zur Verfügung gestellt. Über den unteren Button können Sie den Newsletter abonnieren:

Neuerscheinung Gewalt und ihre Folgen

Traumatisierungen durch schwere physische und psychische Gewalterfahrungen sowie durch sexuelle oder körperliche Misshandlungen gehen mit zahlreichen langfristigen gesundheitlichen Folgen einher, welche sich sowohl auf der psychischen als auch auf der körperlichen Ebene äußern.

In Deutschland wird die Prävalenz von Traumafolgestörungen zwischen 1,5 und 2 % geschätzt. Dabei weisen vor allem Zielgruppen der psychosozialen und psychiatrischen Versorgung ein ausgeprägtes Risiko von traumabezogenen Störungen auf. Ungefähr 57 % der wohnungslosen Menschen, 7 bis 35 % der geflüchteten Menschen, 6 bis 21 % der Menschen in Strafvollzugsanstalten, 50 % der Menschen in Maßregelvollzugsanstalten, 30 bis 50 % der Klient*innen in der Suchthilfe, 60 % der Kinder- und Jugendlichen in Heiminstitutionen, 50 bis 80 % der Frauen mit Gewalterfahrungen in Partnerschaft und Familie und 14 bis 46 % der Menschen mit psychotischen Störungen sowie ca. 36 % der Menschen mit Persönlichkeitsstörungen berichten in klinischen Studien über Merkmale von schweren Traumafolgestörungen.

Traumabezogene Störungen gehören zu einer Gruppe von psychischen Erkrankungen, die ein hohes Chronifizierungsrisiko aufweisen und mit zahlreichen psychosozialen Beeinträchtigungen im Zusammenhang stehen. Um der Chronifizierung von psychischen Beschwerden und Symptomen sowie den langfristigen negativen Folgen entgegenzuwirken sind spezialisierte psychotherapeutische und psychosoziale Behandlungs- und Unterstützungsangebote notwendig. Aufgrund fehlender therapeutischer Möglichkeiten oder der Schwere der Traumafolgestörung ist der Zugang zu solchen notwendigen Angeboten für viele Betroffene erschwert. Bei diesen Zielgruppen sind andere Möglichkeiten der psychosozialen Unterstützung notwendig, um die Bewältigung von erlittenen Gewalterfahrungen und schweren Traumatisierungen zu ermöglichen.

Mit diesen alternativen Formen der Bewältigung und Unterstützung von traumabetroffenen Menschen beschäftigt sich das neue Buch “Gewalt und ihre Folgen: Traumafolgestörungen und Bewältigungsstrategien”, das von der Ärztin, Psychoanalytikerin und Psychotherapeutin Barbara Bojack Anfang des Jahres herausgegeben wurde. Mehrere Autor*innen aus verschiedenen Ländern und Institutionen – darunter auch aus dem Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. – beschäftigen sich mit den alternativen Unterstützungsformen für Menschen mit schweren Traumafolgestörungen.

Das Buch ist hier im ZKS Verlag für psychosoziale Medien erhältlich. Informationen über die Herausgeberin finden Sie hier. Das Vorwort und die drei ersten Beiträge von Kinikanwo Green (University of Port Harcourt), Rosemary Ogu (University of Port Harcourt), Karsten Giertz (Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V.) und Verena Kolbe (Institut für Rechtsmedizin Rostock) können Sie hier frei einsehen.

Neues Fortbildungsangebot Adoleszentensensibles Arbeiten in der Sozialpsychiatrie

Der Lebensabschnitt der Adoleszenz kann vor allem für junge Menschen mit psychischen Erkrankungen eine besondere Herausforderung werden. Neben den ohnehin mit dieser Lebensphase verbundenen Entwicklungsaufgaben müssen junge Menschen mit psychischen Erkrankungen zusätzlich die krankheitsbedingten Belastungen bewältigen. Das ist nicht selten vor allem für die Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen selbst und ihr soziales und professionelles Umfeld eine komplexe Aufgabe.    

Um Mitarbeitende aus den verschiedenen psychosozialen und psychiatrischen Arbeitsfeldern bei der Unterstützung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit psychischen Erkrankungen zu unterstützen, bietet der Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. in diesem Jahr eine Fortbildungsveranstaltung an.  

Im Rahmen der Fortbildung werden in verschiedenen Seminaren aktuelle rechtliche Veränderungen, entwicklungspsychologische, psychiatrische und pädagogische Grundlagen sowie psychosoziale Methoden des adoleszentensensiblen Arbeitens mit jungen Erwachsenen mit psychischen Erkrankungen von renommierten Expert*innen praxisnah vorgestellt. Ausgehend von den Erfahrungen der Teilnehmenden sollen darüber hinaus wichtige Methoden und Konzepte der interdisziplinären Zusammenarbeit sowie ein Überblick der bestehenden Versorgungslandschaft vermittelt werden.  

Weitere Informationen zur Fortbildung finden Sie hier im Flyer:

Informationen zu anderen Fortbildungsangeboten des Landesverbandes Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. und seinen Kooperationspartner*innen finden Sie hier. Eine Übersicht zu unseren aktuellen Initiativen im Zusammenhang mit der psychischen Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen und ihren Familien finden Sie hier.

Themenheft Kinder psychisch erkrankter Eltern

Eltern mit psychischen Erkrankungen und ihre Kinder gehören zu einer Zielgruppe, die in der Gesundheitsversorgung von Deutschland aktuell sehr stark fokussiert wird. Zahlreiche Studien weisen darauf hin, dass Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene aus Familien mit einem psychisch erkrankten Elternteil häufiger Gesundheitsprobleme aufweisen, als die Gleichaltrigen aus der Allgemeinbevölkerung.

Die Zusammenhänge sind sehr komplex. So können genetische, biologische und psychosoziale Faktoren zu einer höheren Vulnerabilität für psychische Auffälligkeiten und Erkrankungen bei den Kindern führen. Weiterhin wirken sich die psychischen und sozialen Belastungen der Eltern im Zusammenhang mit der Erkrankung beeinträchtigend auf die Beziehung und Bindung sowie auf die Erziehungskompetenz und auf die Unterstützung der Kinder aus. Zudem können Schuldgefühle und Insuffizienzerleben in der Erziehung oder Stigmatisierung aufseiten der Eltern dazu führen, dass die Bewältigung der eigenen psychischen Erkrankung negativ beeinflusst wird, dass die Unterstützungs- und Behandlungs-möglichkeiten aus Angst vor Sorgerechtsentzug nicht aufgesucht werden oder dass es im schlimmsten Fall zur Vernachlässigung oder Misshandlung der Kinder kommt.

Foto von Daria Obymaha von Pexels

Allgemein fehlt es in Deutschland in vielen Regionen an entsprechenden niedrigschwelligen und ganzheitlichen Angeboten für Familien mit einem psychisch erkrankten Elternteil. In vielen Bereichen der psychosozialen Versorgung findet jedoch gegenwärtig ein grundlegender Paradigmenwechsel statt, der die Auswirkungen von psychischen Erkrankungen stärker im Zusammenhang mit der Lebenswelt der Menschen betrachtet. Wenn dies auf nicht stigmatisierende Weise geschieht werden neue Formen der Intervention und Prävention möglich.

Die Fachzeitschrift Psychotherapie widmet sich in der aktuellen Ausgabe dem Thema “Kinder psychisch erkrankter Eltern” und greift dabei die aktuellen Entwicklungen und Erkenntnisse auf. Mehrere Autor*innen weisen in wissenschaftlichen Übersichtsarbeiten und Studien auf die besondere Bedeutung des Themas für die Gesundheitsversorgung hin und zeigen auf, wie die betroffenen Eltern und Kinder adäquat unterstützt werden können. Dabei nimmt die Psychotherapie eine herausragende Rolle ein, was sowohl für die institutionelle als auch für die Psychotherapie in den niedergelassenen Praxen gilt.

Das Themenheft gibt Aufschluss über wichtige Fragen, wie psychische Erkrankungen einen Risikofaktor für die Entwicklung von Kindern darstellen, ob das aktuelle Angebot in Deutschland psychisch erkrankte Eltern und Kinder erreicht, und ob weitere relevante Angehörige (z. B. das nicht psychisch kranke Elternteil) ebenfalls einbezogen werden können.

Die meisten Artikel der aktuellen Ausgabe sind hier frei zugänglich.

Eine Übersicht zu den Aktivitäten des Landesverbandes Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. zum Thema finden Sie hier auf der Seite der Landeskoordination Kinder aus psychisch und/ oder suchtbelasteten Familien.

Projektforum Kinder aus psychisch und/ oder suchtbelasteten Familien am 02. März 2022

Projektforum Kinder aus psychisch und/ oder suchtbelasteten Familien am 02. März 2022

Kinder aus psychisch und/ oder suchtbelasteten Familien sind aufgrund der Erkrankung ihrer Eltern in der Entwicklung mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert, wodurch ein höheres Risiko entsteht, selbst im erwachsenen Alter eine psychische Erkrankung oder andere soziale oder gesundheitliche Beeinträchtigungen zu entwickeln. Für Eltern mit psychischen Beeinträchtigungen und ihren Kindern sind in Deutschland geeignete niedrigschwellige und multiprofessionelle Informations-, Beratungs- und Unterstützungsangebote noch unzureichend vorhanden.

In Mecklenburg-Vorpommern wurde die aktuelle Situation von Kindern mit psychisch erkrankten Eltern im Rahmen der Landeskoordination Kinder aus psychisch und/ oder suchtbelasteten Familien (LaKo KipsFam) 2020 als versorgungsrelevantes Thema aufgenommen. Die LaKo KipsFam fördert die Entwicklung eines koordinierten und vernetzten Unterstützungssystems für psychisch und/ oder suchtbelastete Familien in Mecklenburg-Vorpommern.

Am 02. März 2022 stellt die LaKo KipsFam unter der Moderation von Dr. Kristin Pomowski (Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V.) und Franziska Berthold (GGP Gruppe Rostock mbH) im Rahmen eines digitalen Projektforums unter anderem ihre Aktivitäten vor. Neben fachlichen Inputs von Prof. Dr. Michael Kölch (Klinik für Psychiatrie, Neurologie, Psychosomatik und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter an der Universitätsmedizin Rostock) und Juliane Tausch (A:aufklaren | Expertise & Netzwerk für Kinder psychisch erkrankter Eltern) sowie Worldcafés zur Thematik werden eine Vielfalt von Projekten und Arbeitsansätzen zur Unterstützung von Kindern aus psychisch und/ oder suchtbelasteten Familien vorgestellt. Das Projektforum bietet außerdem eine Plattform für Input, Austausch und Diskussion unter den Teilnehmer*innen. Davon ausgehend sollen Ideen und Strategien für die Vernetzung und kooperative Zusammenarbeit entwickelt werden, um betroffene Kinder, Jugendliche und ihre Eltern besser unterstützen zu können.

Das genaue Programm und die Anmeldemodalitäten sind hier im Veranstaltungsflyer aufgeführt:

Weitere Informationen zu den Aktivitäten der LaKo KipsFam finden Sie hier.

Themenheft “Case Management in der psychiatrischen Versorgung von Hard-to-reach-Klient*innen”

In der psychiatrischen Versorgung treffen wir immer wieder auf Klient*innen mit schweren psychischen Erkrankungen, die die professionellen Mitarbeiter*innen vor erheblichen Herausforderungen stellen. Viele dieser Klient*innen zeichnen sich durch komplexe Problemlagen, durch schwierige Verhaltensweisen oder abweichende Lebensentwürfe aus, welche oftmals niedrigschwellige personenzentrierte und multiprofessionelle Unterstützungsformen benötigen. In der Literatur werden diese Klient*innen unter anderem mit dem Begriff “hard to reach” (dt. schwer erreichbar) assoziiert. Im Rahmen eines von Karsten Giertz (Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V.), Lisa Große (Alice Salomon Hochschule Berlin), Matthias Müller (Hochschule Neubrandenburg) und Katarina Prchal (Humboldt Universität zu Berlin) herausgegeben Themenheftes der Zeitschrift “Klinische Sozialarbeit” widmen sich mehrere Autor*innen der Versorgungssituation von Hard-to-reach-Klinet*innen in der psychiatrischen Versorgung und dem stärkenorientierten Case Management als einen methodisch Ansatz, um personenzentrierte und disziplinübergreifende Unterstützungsformen für diese Zielgruppe zu organisieren.

Zu Beginn gibt Dieter Röh (Hochschule für angewandte Wissenschaft Hamburg) einen Einblick in die Entwicklung und Aufgaben der Klinischen Sozialarbeit im Arbeitsfeld der Psychiatrie. Im Anschluss beschreiben Karsten Giertz und Lisa Große die psychiatrische Versorgungssituation von Hard-to-reach-Klient*innen in Deutschland anhand des aktuellen Forschungsstandes. Danach thematisiert Karin Goger (Fachhochschule St. Pölten) die Bedeutung der Beziehungsgestaltung im Case Managements im Kontext der psychosozialen Unterstützung von schwer erreichbaren Klient*innen. Zum Abschluss stellen Karsten Giertz, Lisa Große und Matthias Müller das stärkenorientierte Case Management als einen methodischen Ansatz in der psychosozialen Unterstützung dieser Zielgruppe vor.

Das bereits 2020 veröffentlichte Themenheft “Stärkenorientiertes Case Management in der psychiatrischen Versorgung von Hard-to-reach-Klient*innen” kann seit diesem Monat hier frei als PDF heruntergeladen werden.

Neuerscheinung “Soziale Teilhabe professionell fördern: Grundlagen und Methoden der qualifizierten Assistenz”

Das Bundesteilhabegesetz fordert die qualifizierte Assistenz, die fachlich fundierte Begleitung, Beratung und Unterstützung von Menschen mit Behinderungen für deren Umsetzung in der Unterstützung von Menschen mit psychischen Erkrankungen es noch keine Standards gibt, wohl aber hilfreiche Methoden. Die beiden Herausgeber Karsten Giertz (Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V.) und Dieter Röh (HAW Hamburg) sowie die Herausgeberin Lisa Große (Alice Salomon Hochschule Berlin) stellen mit der Unterstützung von zahlreichen Expert*innen diese Methoden und Konzepte im Fachbuch „Soziale Teilhabe professionell fördern“ vor dem Hintergrund von Rahmenbedingungen und gesetzlichen Grundlagen einzeln und praxisbezogen vor. Es handelt sich dabei um das erste Buch zur qualifizierten Assistenz im Bereich der psychosozialen Unterstützung von Menschen mit psychischen Erkrankungen nach SGB IX. Grafiken, Handlungsempfehlungen und Downloadmaterialien unterstreichen die Praxisnähe dieses Handbuches.

Einen Flyer mit weiteren Informationen zum Inhalt finden Sie hier.

Eine Rezension zum Buch können Sie hier einsehen.

Zu den Herausgebern und der Herausgeberin:

Karsten Giertz, M.A.: ist Geschäftsführer des Landesverbandes Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V., Vorstandsvorsitzender im European Centre of Clinical Social Work e.V. und Mitglied im Institut für Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. sowie in den Fachgruppen Sektion Klinische Sozialarbeit und Case Management der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit, DGSA. Er promoviert an der Universitätsmedizin Greifswald zur psychosozialen Versorgung von Borderline-Patient*innen und hat mehrere Lehraufträge an verschiedenen Hochschulen für Soziale Arbeit.

Lisa Große, M.A.: Langjährige Tätigkeit im Sozialpsychiatrischen Dienst, seit 2019 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Alice Salomon Hochschule Berlin, Lehraufträge an verschiedenen Hochschulen, zertifizierte Fachsozialarbeiterin für Klinische Sozialarbeit, Vorstand im European Centre of Clinical Social Work e.V., Mitglied in den Fachgruppen Case Management und Sektion Klinische Sozialarbeit der DGSA.

Prof. Dr. Dieter Röh: Jahrgang 1971, ist Professor für Wissenschaft Sozialer Arbeit im Department Soziale Arbeit der Fakultät Wirtschaft und Soziales an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Arbeitsschwerpunkte: Geschichte, Ethik, Theorien und Methoden Sozialer Arbeit; Klinische Sozialarbeit und Rehabilitation; Behindertenhilfe/Sozialpsychiatrie.

Die Versorgungssituation von jungen Menschen mit psychischen Erkrankungen sichtbar machen

Die Jugendphase geht allgemein für viele junge Menschen mit zahlreichen altersbedingten Herausforderungen und Veränderungen einher. Neben den körperlichen, psychischen und sozialen Entwicklungsschritten steigen vor allem die gesellschaftlichen Anforderungen an die jungen Erwachsenen. Gleichzeitig erhöht sich mit den psychosozialen Belastungen auch das Risiko an einer psychischen Störung zu erkranken. Vor allem während der COVID-19-Pandemie wurden viele Kinder und Jugendliche mit erheblichen psychosozialen Belastungen konfrontiert, die sich nachteilig auf die psychische Gesundheit auswirken.

Erhalten die jungen Menschen in dieser Phase nur unzureichend Unterstützung, kann es langfristig zu psychischen und sozialen Problemen wie schwere depressive Störungen, einem geringen Selbstwertgefühl, einem höheren Manifestationsrisiko von chronischen psychischen Erkrankungen, familiären Konflikten, Drogenkonsum, Suizidalität, Leistungsversagen oder Schul- und Ausbildungsabbrüchen kommen. Nicht selten geht der frühe Erkrankungsbeginn mit negativen Auswirkungen auf die Schwere sowie auf den Verlauf der psychischen Erkrankung einher, was im späteren Erwachsenenalter zu Beeinträchtigungen in der gesellschaftlichen Teilhabe und zu einer langfristigen Inanspruchnahme von sozialer und medizinischer Unterstützung führt.

Werbemittel aus dem Modellprojekt Adoleszentenpsychiatrie

Darüber hinaus ist das gegenwärtige Behandlungs- und Unterstützungsangebot für junge Menschen im psychiatrischen als auch im psychosozialen Bereich vielfach von Schnittstellen und Brüchen aufgrund der formalen Altersgrenze von 18 Jahren gekennzeichnet. Die vorhandenen Unterstützungsleistungen bewegen sich zudem in einem außerordentlichen komplexen sozialrechtlichen Gefüge. Dementsprechend sind die jungen Erwachsenen und ihre Eltern mit einer Vielzahl an Institutionen, formalen Verfahren und Personen konfrontiert, was zu erheblichen Herausforderungen hinsichtlich der Zugänge zu geeigneten und passgenauen Unterstützungs- und Behandlungsangeboten führt.

Um auf die schwierige Lebens- und Versorgungssituation von jungen Erwachsenen mit psychischen Erkrankungen in der Öffentlichkeit aufmerksam zu machen, entwickelte der Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. gemeinsam mit seinen Kooperationspartner*innen im Rahmen des Modellprojektes Adoleszentenpsychiatrie mehrere Werbemittel wie Postkarten, Aufkleber und Stoffbeutel. Die Motive für die Werbemittel wurden gemeinsam mit jungen Erwachsenen und einer Grafikerin entwickelt.

Die Werbemittel stellt der Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. in erster Linie den Kooperationspartner*innen aus dem Modellprojekt Adoleszentenpsychiatrie zur Verfügung. Aber auch auf den diesjährigen Veranstaltungen des Landesverbandes Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. können die Werbemittel solange der Vorrat reicht für alle Interessierten frei erworben werden.