Die psychische Gesundheit von jungen Menschen in Deutschland hat sich im Zuge der Covid-Pandemie deutlich verschlechtert. Zudem haben sich die bereits vor der Pandemie bestehenden Probleme im Bereich der Kinder- und Jugendgesundheit verschärft. Darüber hinaus macht die aktuelle Gesundheitsberichtserstattung deutlich, dass nach wie vor die Kinder- und Jugendgesundheit in Deutschland stark durch die sozialen Lebensbedingungen beeinflusst wird. Vor allem sozialbenachteiligte Kinder und Jugendlichen haben einen schlechteren gesundheitlichen Zustand und haben geringere Chancen auf ein gesundes Aufwachsen. Gleichzeitig werden junge Menschen und ihre Familien in prekären Lebenslagen auch von den Angeboten der Gesundheitsförderung nur unzureichend erreicht, obwohl in Deutschland ein hochdifferenziertes und aufwändiges Gesundheitssystem sowie eine Bildungs- als auch Kinder- und Jugendhilfestruktur besteht, die prinzipiell allen Zugang bietet.
Diese Konstellation erfordert nach dem Bundesjugendkuratoriums substantielle Änderungen, um gerade jetzt bei einer sich abzeichnenden stärkeren psychischen Belastung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Infrastrukturen der Gesundheitsförderung zu verbessern und soziale Benachteiligungen abzubauen. In einer aktuellen Stellungnahme stellt das Bundesjugendkuratorium darum Handlungsfelder und -optionen dar, die zu einer verbesserten Gesundheitsförderung junger Menschen beitragen können. Dabei müssen die bereits seit einigen Jahren bekannten Probleme systemübergreifend bearbeitet werden. Hierzu gehören:
- die Versäulung der Angebotsstruktur und damit die geringe Verschränkung von Sektoren und Systemen der Gesundheitsförderung im institutionellen Gefüge von Kindheit und Jugend,
- die unzureichende Ausrichtung bestehender Maßnahmen auf bzw. geringe Erreichbarkeit für Gruppen mit erhöhtem Risiko für gesundheitliche Benachteiligung,
- der Mangel an niedrigschwelligen und sozial-räumlichen altersgerechten Angeboten im Kindes-, Jugend- und jungen Erwachsenenalter.
In Anbetracht sich verändernder gesellschaftlicher Rahmenbedingungen, wie etwa dem Fachkräftemangel in allen Bereichen, wird es auch bei der Förderung der psychischen Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen nicht um ein undifferenziertes „Mehr“, sondern ein kooperatives „Besser“ gehen müssen.
Das Bundesjugendkuratorium empfiehlt, psychische Gesundheit zu einem zentralen Querschnittsthema der inklusiven Öffnung des institutionellen Gefüges des Aufwachsens zu machen.
Vorhandene Infrastrukturen müssen genutzt werden, um psychische Gesundheit zu fördern und es müssen nicht neue Säulen aufgebaut werden. Es müssen die jeweiligen Gesundheits-, Sozial- und Bildungssektoren und -systeme befähigt werden, besser zu kooperieren und Hürden zu beseitigen, die Kooperationen erschweren. Dies gilt auch für Kooperationen innerhalb eines Systems, aber eben auch über das jeweilig eigene System hinaus. Es müssen starke Anreize zur Kooperation gegeben sowie Zuständigkeiten und Finanzierungen transparent geklärt werden. Es müssen Selbstorganisationen von jungen Menschen, Eltern und Unterstützer*innen strukturell und nachhaltig gefördert und einbezogen werden.
Sensibilität und Wissen über psychische Belastungen und Unterstützungsmöglichkeiten müssen bei Fachkräften und bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowie in den Familien erhöht werden.
Niedrigschwellige Angebote müssen besonders für und mit jungen Menschen und ihre Familien in prekären Lebenslagen zugänglich gemacht und sozialräumlich mit weiterführenden Unterstützungsangeboten verzahnt werden. Die Lebensorte und der Alltag von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen müssen die primären Orte für Prävention und Intervention werden können.
Auch in der Forschung müssen diese Bedarfe Niederschlag finden: über partizipative Forschung mit jungen Menschen und ihren Selbst-organisationen kann die niedrigschwellige Erreichbarkeit weiterentwickelt werden. Zudem braucht es Grundlagenforschung zur Nutzung und Teilhabe in vernetzten Infrastrukturen sowie wissenschaftlich evaluierte und evidenzbasierte Angebote in der Prävention und Intervention zum Beispiel in Schule, Kinder- und Jugendhilfe, Berufsbildung etc.
Es sind insgesamt Programme, analog zur Logik der Frühen Hilfen, für alle Altersgruppe und institutionellen Kontexte bis zum 27sten Lebensjahr zu entwickeln.
Das Bundesjugendkuratorium (BJK) ist ein von der Bundesregierung eingesetztes Sachverständigengremium. Es berät die Bundesregierung in grundsätzlichen Fragen der Kinder- und Jugendhilfe und in Querschnittsfragen der Kinder- und Jugendpolitik. Dem BJK gehören bis zu 15 Sachverständige aus Politik, Verwaltung, Verbänden und Wissenschaft an. Die Mitglieder werden durch die Bundesministerin/den Bundesminister für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für die Dauer der laufenden Legislaturperiode berufen.
Weitere Inforationen und die vollständige Stellungnahme finden Sie hier: