Der Einsatz von Zwangsmaßnahmen und -behandlungen in der Psychiatrie wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Anlass bilden unter anderem die UN-Behindertenkonvention sowie mehrere Urteile des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofes, welche jegliche Formen von Zwangsmaßnahmen und -behandlungen aufgrund einer psychischen Erkrankung als verfassungswidrig beurteilen. Im Zuge dieser politischen und fachlichen Diskussion kam es zu einer Anpassung der rechtlichen Grundlagen. Darüber hinaus entstanden mehrere Initiativen von Forschungseinrichtungen und Fachgesellschaften hinsichtlich der Prävention und Vermeidung von Zwangsmaßnahmen sowie der Entwicklung von Alternativen.
Zahlreiche Forschungsaktivitäten berichten, dass auch die architektonische und bauliche Gestaltung von psychiatrischen Stationen einen maßgeblichen Einfluss auf das therapeutische Milieu sowie auf die Häufigkeit von aggressiven Zwischenfällen, Fixierungen und Isolierungen haben kann. So können zum Beispiel eine größere Raumaufteilung mit Rückzugsräumen, mehr Tageslicht auf den Stationen, eine größere Übersicht, werthaltige Möbel oder auch eine wohnlichere Ausstattung dazu beitragen, aggressive Vorfälle zu verringern und die Sicherheit für Patient*innen und Mitarbeiter*innen zu verbessern.
Ausgehend von wissenschaftlichen Studien, Best-Practice-Beispielen und den Erfahrungen von Expert*innen des Landesfachbereites Psychiatrie von Niedersachsen veröffentlichte das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung die Planungshilfe deeskalierende psychiatrische Akutstationen, die bei der Gestaltung von Neu-, Um- und Erweiterungsbauten von psychiatrischen Stationen eine Orientierung für deeskalierende architektonisch-bauliche Veränderungen ermöglicht. Die Planungshilfe mit der dazugehörigen Checkliste kann hier auf der Internetseite des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung frei heruntergeladen werden.