Videovorlesungsreihe Anthropologische Psychiatrie zum Thema „Mensch-Sein und -Bleiben“

An der Universitätsmedizin Hamburg-Eppendorf veranstaltet Thomas Bock jährlich eine Vorlesungsreihe zur Anthropologischen Psychiatrie mit verschiedenen Schwerpunkten. Ziel der Vorlesungsreihe ist, ein menschliches Bild von psychischen Erkrankungen zu vermitteln, sie nicht auf die Abweichung von Normen oder die Folge entgleister Transmitter zu reduzieren. Anlässlich der COVID-19-Pandemie findet seit 2020 die Vorlesungsreihe in digitaler Form statt. Die Veranstaltungsreihe ist eine Kooperation der Universität Hamburg mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Irre menschlich Hamburg e.V. und psychenet. Dabei engagieren sich zahlreiche persönliche, wissenschaftliche und berufliche Expert*innen.

Im Sommersemester 2024 knüpft Thomas Bock an den erfolgreichen Reihen »Mensch Sein« und »Mensch Bleiben« an, bei denen Doppel-Dialoge mit beruflichen, wissenschaftlichen und persönlichen Expert*innen besondere psychische Zustände wie Suizidalität, Demenz, Traumafolgestörungen oder Autismus sowie vorbildliche Behandlungssettings nahebringen.

Suizidalität – Ausdruck von Freiheit und Verzweiflung

Mit Thomas Bock, Christina Meyn & Tobias Teismann

Die Möglichkeit das Leben infrage stellen zu können, unterscheidet den Menschen von den meisten anderen Lebewesen; es in bestimmten Situationen überhaupt nicht mehr spüren oder würdigen zu können, kann Ausdruck großer Not sein. Warum ist es wichtig, zwischen lebensmüden Gedanken und suizidalen Impulsen zu unterscheiden? Wo müssen wir geduldig beistehen, wo einer suizidalen Dynamik entgegenwirken? Warum ist Vorhersage sehr schwierig, Prävention aber auf mehreren Ebenen dennoch möglich? Wie können wir ins Gespräch kommen? Warum kann oder muss Suizidalität so viel Angst machen, obwohl die Häufigkeit von Suiziden kontinuierlich abnimmt? Wo ist das Sterben-wollen hinzunehmen? Warum ist Suizidassistenz bei Menschen mit psychischer Erkrankung auch unabhängig vom freien Willen fragwürdig?

Autismus – eine besondere Form des “für sich Seins”?

Mit Imke Heuer, Thomas Bock, Daniel Schöttle & Antje Horn-Engeln

Keine Krankheit, sondern eine Entwicklungsstörung; vielleicht nicht einmal Störung, sondern Ausdruck der Neurodiversität/ Vielfalt des Menschen. Was ist trotzdem typisch – von der Reizfilterschwäche bis zur Unabhängigkeit von sozialen Normen? Was brauchen Menschen mit diesem Hintergrund – bezogen auf Lebensbedingungen und Entwicklungshilfen? Wie wichtig sind Geduld und Empathie, Anerkennen der Individualität und Wahrnehmung der Stärken? Welche Risiken drohen, wenn das nicht gegeben ist – in Kindheit, Schule, Ausbildung und Beruf? Welchen Unterschied machen Selbstfindung und Fremdzuschreibung? Warum scheint sich die Geschlechter-Verteilung anzunähern? Gibt es eine Zunahme der Erfahrung (geschätzt 1%) oder eine größere Akzeptanz der Diagnose? Welche Rollen spielen berühmte Menschen und Selbstvertretung? Was ist der gesellschaftliche Nutzen für uns alle, wenn wir unser Bild des Mensch-Seins erweitern?

Trauma-Erfahrungen – trotzdem lebendig bleiben

Mit Gwen Schulz, Thomas Bock & Dorothea von Haebler

Was ist ein Trauma? Welche Unterscheidungen sind in Bezug auf den Begriff wichtig? Ab wann wird ein Trauma erinnert oder verdrängt, bedingt oder unbedingt wirksam, überwindbar oder tragbar? Hat jeder Mensch mit psychischer Erkrankung etwas erlebt, was das eigene Fassungsvermögen sprengt? Ist das immer ein Trauma? Was brauchen wir, um Traumaerfahrungen zu überwinden oder zu integrieren? Wie kommt Resilienz zustande? Was kann/muss Psychotherapie bieten zwischen den Polen Alles oder nichts / Ignoranz oder Konfrontation. Was macht den therapeutischen Raum aus? Balanceakt zwischen Licht und Dunkelheit, Respekt? Warum ist Anteilnahme wichtig und Wegnehmen eigentlich unmöglich.

Mit Demenz leben – trotzdem dazugehören

Mit Thomas Bock, Bernd Meißnest, Rainer Heydenreich, Holger Hasse & Katharina Rosteius

Immer mehr Menschen werden dement – in unterschiedlicher Form. Je älter wir werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit. Schon jetzt ist fast jede Familie betroffen. Wie wird Demenz erlebt? Was ist hilfreich und nötig, um eine positive Lebenseinstellung zu behalten oder zu gewinnen. Welche Unterstützung brauchen Angehörige? Welcher Spielraum bleibt – medizinisch und vor allem sozial? Die Stadt Gütersloh hat politisch entschieden: Niemand wird allein gelassen, niemand ausgegrenzt. Alle Bürger:innen bekommen ein nachbarschaftlich unterstütztes lebensnahes Angebot. Eine Initiative Pflegehof im wendländischen Dorf Zernien plant eine Dorfgemeinschaft. In den Niederlanden ist daraus bereits eine Bewegung geworden; auf sehr vielen Höfen entstehen ökologische und soziale Räume. Mit Gewinn für alle – für Betroffene, Angehörige und Pflegende. Eine solidarische Entscheidung der Politik für eine Lebensqualität aller. Demenz verliert ihren Schrecken, wird zu einer lesbaren Erkrankung wie viele andere auch. Warum nicht überall so? Ein erstaunlich opitimistisches Gespräch mit klarem Auftrag an die Kommunalpolitik.

Juli-Ausgabe des Newsletters der Landesfachstelle: Kinder aus psychisch und/oder suchtbelasteten Familien

Die neue Ausgabe der BlickPost ist da!

Die neue Ausgabe des Newsletters der Landesfachstelle Kinder aus psychisch und/ oder suchtbelasteten Familien (KipsFam) ist online! In der Juli-Ausgabe wirft die Landesfachstelle KipsFam einen Blick zurück auf das diesjährige Projektforum Kinder aus psychisch und/ oder suchtbelasteten Familien und gibt viele aktuelle Anregungen für den Arbeitsalltag mit psychisch und/ oder suchtbelasteten Familien.

Den Newsletter finden Sie hier.

Viel Spaß beim Stöbern!

Von der Seele geschrieben… Tagebucheinträge aus psychisch belasteten Familien

Psychische Belastungen und Suchterkrankungen sind ein Tabuthema – vor allem in Familien.

Kinder von psychisch oder suchtkranken Eltern lernen oft von klein auf, das Familiengeheimnis zu wahren und die Erwachsenen zu schützen – und verlernen so, ihren Gefühlen zu trauen und sich denen zu öffnen, die helfen könnten.

Wir möchten Sichtbarkeit schaffen: Dafür suchen wir (erwachsene) Kinder aus psychisch und/oder suchtbelasteten Familien oder betroffene Eltern, die ihre Erfahrungen zu Papier bringen.

Sie möchten mitmachen?

Dann verfassen Sie gern einen Tagebuchreintrag über eine oder mehrere alltägliche Situationen oder Momente, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind. Beim Schreiben können wir Sie gern unterstützen.

Die Tagebucheinträge sammeln wir und fassen sie am Ende (auf Wunsch anonym) in einer Broschüre zusammen.

Wir freuen uns, wenn Sie mitmachen – melden Sie sich bei Interesse gern bei: tanja.bodendorf@sozialpsychiatrie-mv.de

Weitere Informationen finden Sie hier:

Rückblick und Dokumentation des 3. Forums Arbeit und psychische Gesundheit

Im Fokus des 3. Forums Arbeit und psychische Gesundheit stand am 09. April 2024 das Thema „Gesundheit fördern – Arbeitskraft sichern und erhalten“ und sprach damit vor allem Arbeitgebende an. Diese kamen zahlreich in die IHK Neubrandenburg, die die Veranstaltung unter anderem als Gastgeberin und mit einem Grußwort unterstützte. Unter der Moderation von Ingmar Steinhart lernten die Teilnehmenden nach einer kurzen Einführung zum aktuellen Stand der Forschung in Bezug auf psychische Erkrankungen in der Arbeitswelt, zwei verschiedene Programme kennen, die vor allem Führungskräfte in Unternehmen darin stärken, psychische Belastungen und Krisen zu erkennen und im Umgang mit erkrankten Mitarbeitenden ihre Handlungskompetenz zu erweitern.

Emily Nething von der Universität Greifswald

Der Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e. V. bietet hierzu seit Ende des letzten Jahres den Kurs Mental Health First Aid (MHFA) Ersthelfer für psychische Gesundheit an, der von Anke Wagner vorgestellt wurde. Zudem berichtete Emily Nething von der Universität Greifswald aus dem Programm “The Working Mind” zur Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz. Im Anschluss wurden durch den zuständigen Fachberater der einheitlichen Ansprechstelle für Arbeitgeber, Philipp Wallner, mit dem die Veranstaltung gemeinsam vorbereitet und durchgeführt wurde, regionale Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten vorgestellt, bevor eine lebhafte Diskussion im Podium und mit den Teilnehmenden begann. Diese machte sehr deutlich, dass die Arbeitgebenden die (psychische) Gesundheit ihrer Beschäftigten wichtig ist und das Thema längst im Alltag der Teilnehmenden angekommen ist. Es wurde deutlich, dass es viele Fragen und Unsicherheiten bei den Führungskräften gibt und weiterführend Unterstützungsleistungen noch zu selten bekannt sind. Im Rahmen von zwei „good practice“ Berichten wurden Erfahrungen von Unternehmenden mit dem Publikum geteilt, die zeigten, dass eine Beschäftigung von Menschen mit psychischen Erkrankungen mit bestimmten Voraussetzung – allen voran einer akzeptierenden und wertschätzenden Unternehmenskultur – gut möglich ist. Dass über den Zeitrahmen von zwei Stunden weiterhin Bedarf besteht, zeigte die Verlängerung der Veranstaltung um mindestens 15 min und die Gespräche im Nachgang.

Philipp Wallner von der einheitlichen Ansprechstelle für Arbeitgeber

Weitere Veranstaltungen und ein MHFA-Kurs sind in Neubrandenburg im Rahmen der diesjährigen Woche der seelischen Gesundheit vom 10. bis 20. Oktober passend zu Motto 2024 „Hand in Hand für seelische Gesundheit am Arbeitsplatz“ geplant.

Präsentationen der Tagung

Rückblick: Diesjährige Pflanzaktion zum Tag des Baumes in Nordwestmecklenburg

Rund 17,8 Millionen Erwachsene und etwa 2,1 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland leiden unter psychischen Belastungen – mit oft schwerwiegenden Folgen für Familie, Freizeit und Beruf. Umso wichtiger ist es, dass das psychische Wohlbefinden durch breit angelegte Angebote gefördert und Erkrankungen vorgebeugt wird. Schließlich wird die psychische Gesundheit mittlerweile auch als grundlegendes Menschenrecht anerkannt.

Mit einer Waldfläche von 0,14 Hektar pro Einwohner*in hält Mecklenburg-Vorpommern dafür eine ideale Ressource bereit. Zahlreiche Studien belegen, dass die Natur die psychische Gesundheit fördern kann. Auch die Beschwerden von psychisch belasteten Personen lassen sich in der Natur deutlich lindern. Es lohnt sich deshalb unsere Natur zu schützen und einen bewussteren Blick in unsere Wälder zu werfen – für das Klima und unsere Gesundheit.

Zu diesem Zweck initiieren der Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. und die Landesforst Mecklenburg-Vorpommern seit 2023 gemeinsam jährliche Pflanzaktionen. Begonnen hat die Kooperation mit einer erfolgreichen inklusiven Pflanzaktion mit Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen im Dezember 2022 und wurde dann zu einer jährlich stattfindenden Aktion in verschiedenen Regionen rund um den Tag des Baumes (am 25.04.2024) unter dem Motto „Mein Herz schlägt für den Wald“ weiterentwickelt. Ziel ist es, das Potenzial von Wald und Natur für die Förderung der psychischen Gesundheit sichtbar und erlebbar zu machen. Neben der Sensibilität für einen bewussteren Umgang mit der Natur finden im Rahmen der Pflanzaktion auch Begegnungsräume zwischen Menschen mit und ohne psychische Erkrankungen statt.

Bei gutem Wetter fand in diesem Jahr die Pflanzaktion im Landkreis Nordwestmecklenburg statt. Mit der Unterstützung von regionalen Akteur*innen aus dem Bereich der psychiatrischen und psychosozialen Versorgung wie die Diakonie Nord Nord Ost, die DRK Soziale Betreuungsdienste M-V gGmbH, der Landkreis Nordwestmecklenburg (Fachbereich Gesundheit/ Gesundheitsförderung), das Sana HANSE-Klinikum Wismar GmbH, der Kinderschutzbund, die Diakonie Kloster Dobbertin gGmbH, der Verein “Das Boot Wismar e.V.”, die Wismarer Werkstätten GmbH und die Kamlage & Kopmann GmbH. Darüber hinaus spendete die Sparkasse Mecklenburg-Nordwest zu ihrem 200. Jubiläumsjahr 2.000 Bäume mit Hilfe des PS-Lotterie-Sparens zur Aufforstung des Waldstückes in Nordwest-Mecklenburg. Die Pflanzaktion wurde von der Sparkasse Mecklenburg-Nordwest somit monetär unterstützt und von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald Mecklenburg-Vorpommern e. V. als Empfängerin der Spenden kuratiert.

In Namen der Veranstalter*innen möchten wir uns bei allen Beteiligten bedanken. Wir freuen uns schon, unseren Aktionstag, der wegen Unwetter gestern verschoben wurde, ganz bald nachzuholen. Der Termin wird demnächst bekannt gegeben.

“Wald zum Wohl!” Im Einklang mit Natur und Psyche: Veranstaltungsreihe zum Tag des Baumes am 19. und 20. April 2024 in Grevesmühlen

Rund 17,8 Millionen Erwachsene und etwa 2,1 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland leiden unter psychischen Belastungen – mit oft schwerwiegenden Folgen für Familie, Freizeit und Beruf. Umso wichtiger ist es, dass das psychische Wohlbefinden durch breit angelegte Angebote gefördert und Erkrankungen vorgebeugt wird. Schließlich wird seelische Gesundheit zunehmend als zentrales Menschenrecht anerkannt.

Mit einer Waldfläche von 0,14 Hektar pro Einwohner:in hält Mecklenburg-Vorpommern dafür eine ideale Ressource bereit. Denn Natur kann heilen: Zahlreiche Studien belegen, dass allein der Besuch von Waldlandschaften positive Gefühle ankurbeln und negative Gedanken vertreiben kann. Im Grünen fühlen wir uns weniger gestresst und tatkräftiger.

Die besonderen Sinneseindrücke für Auge, Ohr und Nase setzen Erholungsprozesse im Körper in Gang und sind so in keiner anderen Umgebung zu finden. Wir können wandern, laufen, radeln oder klettern – Körper und Geist durch Aktivitäten im Freien etwas Gutes tun. Auch die Beschwerden von psychisch belasteten Personen lassen sich in der Natur deutlich lindern. Es lohnt also, unsere Natur zu schützen und einen bewussteren Blick in unsere Wälder zu werfen – für das Klima und unsere Gesundheit.

Und genau das wollen wir am 19. und 20. April 2024 in Grevesmühlen erlebbar machen. Gemeinsam mit der Landesforst Mecklenburg-Vorpommern und weiteren regionalen Kooperationspartner*innen veranstaltet der Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. wieder eine gemeinde und inklusive Pflanzaktion in Grevesmühlen. Wir alle freuen uns auf zwei Tage voll spannender Sinnes-Eindrücke unter dem Motto: “Wald macht gesund – Wald zum Wohl”!

Neugierig geworden? Kommt vorbei! Die Angebote stehen euch kostenfrei zur Verfügung. Vergesst nicht, etwas Taschengeld für die Snacks einzupacken.

Weitere Informationen zum Programm finden Sie hier oder im Flyer:

Persönlichkeitsstörungen – Was ist das?

Etwa jede zehnte Person in Deutschland erkrankt an einer Persönlichkeitsstörung. In vielen Angeboten der psychiatrischen, psychosozialen und psychotherapeutischen Versorgung gehören Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung zu einer häufig anzutreffenden Zielgruppe.

Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung sind in starren Denk- und Handlungsweisen gefangen. Ihnen gelingt es nicht oder nur begrenzt, sich auf wechselnde Situationen einzustellen und flexibel damit umzugehen. Ihre einseitigen, oft unangemessenen Reaktionen können das soziale Miteinander stark beeinträchtigen und zu Konflikten führen. Viele Betroffene leiden zum Teil erheblich darunter. Nicht selten verstehen sie jedoch nicht, warum ihr Verhalten in ihrem Umfeld auf Unverständnis stößt.

Obwohl es mittlerweile zahlreiche wirksame Behandlungs- und Unterstützungsmöglichkeiten für Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung gibt, erhalten oft nur wenige Betroffene die notwendige Behandlung und Unterstützung. Zahlreiche Studien legen nahe, dass Persönlichkeitsstörungen allgemein mit einer guten Prognose einhergehen und selten einen chronischen Erkrankungsverlauf aufweisen, zumindest wenn Betroffenen einen Zugang zu entsprechenden Behandlungs- und Unterstützungsangeboten erhalten. Trotz der guten Prognose zählen Betroffen mit einer Persönlichkeitsstörung aufgrund ihrer auffälligen Verhaltensmuster immer noch zu einer Personengruppe, die – auch aufseiten des professionellen Unterstützungssystems – negativen Zuschreibungen und gesellschaftlichen Stigmatisierungstendenzen ausgesetzt ist.

Die neue Broschüre „Persönlichkeitsstörung – was ist das?“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung versucht den negativen Vorurteilen und Zuschreibungen gegenüber Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung entgegenzuwirken. Darüber hinaus informiert die Broschüre Betroffene und Angehörige über die Entstehung und Symptome von Persönlichkeitsstörung sowie über deren Behandlungs- und Unterstützungsmöglichkeiten. Die Broschüre ist als kostenloser Download hier verfügbar.

Rückblick Landesweite Gedenkveranstaltung “ERINNERN, BETRAUERN, WACHRÜTTELN” 2024 in Alt Rehse & Neubrandenburg

Der 27. Januar gilt als internationaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust sowie als nationaler Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus. Seit 2008 steht dieser Tag auch im Zeichen der Opfergruppe der Menschen mit psychischen Erkrankungen sowie geistigen und körperlichen Behinderungen, die im Rahmen der T4-Aktionen in der Zeit des Nationalsozialismus umgebracht oder dauerhaft geschädigt wurden. Mehr als 300.000 Menschen mit psychischen und anderen Erkrankungen und Behinderungen kamen während der NS-„Euthanasie“ ums Leben und mehr als 400.000 Menschen wurden Opfer von Zwangssterilisierungen.

Kranzniederlegung in Alt Rehse

In trialogischer Zusammenarbeit veranstaltet der Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. seit 2008 gemeinsam mit verschiedenen regionalen Kooperationspartner*innen und Akteur*innen die Landesweite Gedenkveranstaltung „ERINNERN, BETRAUERN, WACHRÜTTELN” in Gedenken an die Opfer der „Euthanasie“ und Zwangssterilisierungen in Mecklenburg-Vorpommern in der Zeit des Nationalsozialismus.

In diesem Jahr fand die Landesweite Gedenkveranstaltung in Kooperation mit dem Dietrich-Bonheoffer-Klinikum Neubrandenburg, dem Verein „Das Boot“ Wismar e.V., dem Verein EX-IN Mecklenburg-Vorpommern e.V., der RAA – Demokratie und Bildung Mecklenburg-Vorpommern e.V., dem Gemeindepsychiatrischen Verbund Mecklenburgische Seenplatte, dem Landkreis Mecklenburgische Seenplatte und der Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern e.V. in Alt Rehse und Neubrandenburg statt.

Alt Rehse – ein Ort mit wechselvoller Geschichte

Bereits 2019 wurde eine Landesweite Gedenkveranstaltung in Alt Rehse veranstaltet. Aufgrund der besonderen Geschichte dieses Ortes im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Gesundheitspolitik griffen die Organisator*innen in diesem Jahr Alt Rehse erneut neben Neubrandenburg als Veranstaltungsort auf.

Religiöse Andacht in der Dorfkirche Alt Rehse

Der kleine Ort Alt Rehse befindet sich direkt in der Nähe von Neubrandenburg am Tollensesee. 1934 ging der Ort an den Nationalsozialistischen Ärztebund, der auf Verlangen der Reichsärzteführung dort die „Führerschule der Deutschen Ärzteschaft“ errichtete. Mehr als 10.000 Mediziner, Hebammen und Apotheker nahmen in dem zum Musterdorf umgebauten Ort von 1935 bis 1941 an ideologischen Schulungen teil. Die Seminare lehrten die Vorrangigkeit der Volksgesundheit vor der Gesundheit des Einzelnen sowie die völkische Blut- und Boden-Ideologie. Auf dem Lehrplan standen Themen wie “Rassenhygiene”, “Erbgesundheit” und “Der nationalsozialistische Arzt”. Ziel war es, eine medizinische Elite auszubilden, die die unmenschliche Ideologie der Nazis mit Überzeugung vertrat. Viele von ihnen waren später an Verbrechen wie der Zwangssterilisation und systematischen Ermordung von Menschen mit psychischen, körperlichen und geistigen Behinderungen beteiligt. Nach dem Nationalsozialismus wurde das Gelände rund um Alt Rehse unter anderem als Fortbildungsstätte für Lehrer*innen in der DDR oder als Erholungsstätte genutzt. Heute ist Alt Rehse als Tagungs- und Urlaubsort bekannt.   

Kranzniederlegung in Alt Rehse

Zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus fand in der Dorfkirche von Alt Rehse eine religiöse Andacht mit Pastor Hartmuth Reincke von der Kirchengemeinde Penzlin – Mölln statt. Im Anschluss ging die EX-IN Erfahrungsexpertin Undine Gutschow in ihrer Lesung auf das Schicksal der Opfer der NS-„Euthanasie“ und ihren hinterbliebenen Angehörigen ein.  

Veranstaltung zur Aufarbeitung der NS-„Euthanasie“ in Neubrandenburg

Nach der öffentlichen Kranzniederlegung auf dem Gelände der Dorfkirche von Alt Rehse ging es für die Teilnehmer*innen zur anschließenden Veranstaltung nach Neubrandenburg in den Konferenzsaal des Dietrich-Bonheoffer-Klinikums. Dort begrüßte Dr. Rainer Kirchhefer (Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Dietrich-Bonheoffer-Klinikums) die Gäste. In seinem Grußwort setzte er sich kritisch mit der Rolle der helfenden Professionen bei der Vorbereitung und Durchführung der NS-„Euthanasie“ im Nationalsozialismus auseinander. Zudem wies er auf die Bedeutung der Landesweiten Gedenkveranstaltung im Zusammenhang mit aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen hin. In vielen gesellschaftlichen Diskursen haben demokratiefeindliche Einstellungen, die Ausgrenzung von sexuellen, ethnischen oder religiösen Minderheiten, Anfeindungen gegenüber politisch Andersdenkende und die Stigmatisierung von Menschen mit Behinderungen deutlich zugenommen. Die Landesweite Gedenkveranstaltung trägt dazu bei, ein Zeichen für Toleranz und Solidarität zu setzen sowie Rassismus und Demokratiefeindlichkeit gemeinsam entgegenzutreten.    

Dr. Rainer Kirchhefer bei der Begrüßung

Die Vorstandsvorsitzende des Landesverbandes Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. Sandra Rieck erinnerte in ihrem Grußwort an die Wegbegleiter*innen, die die Landesweite Gedenkveranstaltung seit 2008 aktiv mitprägten. Hierzu gehören unter anderem Käthe Schüler, Prof. Dr. Harald Freyberger und Prof. Dr. Klaus Dörner. In ihren Namen rief sie dazu auf, nicht nachzulassen, den Blick auf die Opfer der NS-„Euthanasie“ zu richten und die Rolle der helfenden Professionen während der NS-Zeit  kritisch zu reflektieren. Sie forderte die Teilnehmenden auf, mit einer Haltung von Respekt und Toleranz gesellschaftliche Rahmenbedingungen im Sinne der Menschenrechte und der UN-Behindertenkonvention zu gestalten und gegen alle Anfeindungen und Ausgrenzungen zu verteidigen.

Blick in den Konferenzraum

Christian Kaiser aus dem Verein EX-IN Mecklenburg-Vorpommern e.V. setzte sich in seinem Grußwort mit der gegenwärtigen Behandlung- und Unterstützung von Menschen mit psychischen Erkrankungen auseinander. Noch immer werden Menschen mit psychischen Erkrankungen in der Gesellschaft stigmatisiert oder von wichtigen gesellschaftlichen Bereichen ausgeschlossen. Viele Betroffene sind trotz der UN-Behindertenrechtskonvention Zwangsmaßahmen und -behandlungen in der Psychiatrie ausgesetzt oder in ihrer Selbstbestimmung stark eingeschränkt. Zudem fehlt es in vielen Regionen an notwendigen Behandlungs- und Unterstützungsangeboten für Menschen mit psychischen Erkrankungen und ihren Angehörigen. Allerdings können gegenwärtig aber auch viele positive Entwicklungen verzeichnet werden wie die Implementierung der Recovery-Orientierung in der psychiatrischen Behandlung, die Entwicklung der Selbsthilfe sowie die zunehmende Partizipation von Menschen mit psychischen Erkrankungen in der psychiatrischen Versorgung.

Der 1. stellvertretende Oberbürgermeister der Stadt Neubrandenburg Peter Modemann bedankte sich bei den Organisator*innen für die Durchführung der Landesweiten Gedenkveranstaltung in Neubrandenburg. In seinem Grußwort gab er einen Überblick zur regionalen Gedenk- und Erinnerungskultur in Neubrandenburg. Er betonte wie wichtig diese Initiativen sind, um vor dem Hintergrund der NS-Geschichte rechtspopulistischen und antisemitistischen Entwicklungen in Deutschland entgegenzuwirken. Dabei wies er auf die Notwendigkeit hin, die Erinnerungs- und Gendenkkultur weiterzuentwickeln, um vor allem bei jüngeren Generationen das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus wach zu halten.

Vortrag Dr. Martin Müller-Butz

In seinem Vortrag „Idylle, Ideologie und Verantwortung. Die „Führerschule der Deutschen Ärzteschaft“ in Alt Rehse“ informierte Dr. Fabian Schwanzar (Geschäftsführer und Leiter der EBB Alt Rehse) zum aktuellen Stand der historischen Aufarbeitung um die Führerschule der Deutschen Ärzteschaft und über die Aktivitäten der Erinnerungs-, Bildungs- und Begegnungsstätte in Alt Rehse. Auf das Schicksal der polnischen Frauen im KZ-Außenlager Neubrandenburg ging Dr. Martin Müller-Butz von der Geschichtswerkstatt Zeitlupe der RAA – Demokratie und Bildung Mecklenburg-Vorpommern e.V. ein. Am Beispiel der partizipativen und multimedialen Projektarbeit der Geschichtswerkstatt zeigte er auf, wie durch die direkte Einbeziehung von regionalen Akteur*innen bei der historischen Aufarbeitung und durch den Einsatz von aktivierenden künstlerischen Methoden, eine nachhaltige politische Bildungsarbeit umgesetzt sowie ein demokratieförderndes Geschichtsbewusstsein unterstützt werden kann. Zum Abschluss beschäftigte sich Prof. Dr. Jeanne Nicklas-Faust (Geschäftsführerin der Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V.) mit den Perspektiven, die sich aus der historischen Aufarbeitung der NS-„Euthanasie“ für die Gegenwart ergeben. Dabei machte sie darauf aufmerksam, dass es notwendig ist, sich als Gesellschaft frühzeitig klar gegen Ausgrenzung, Fremdenfeindlichkeit und Hass zu positionieren, um den Einfluss von antidemokratischen, rechtsextremistischen und antisemitischen Entwicklungen innerhalb der Gesellschaft zu verhindern.

Beteiligte Organisator*innen, Referent*innen und Moderator*innen: Jeanne Nicklas-Faust, Fabian Schwanzar, Frank Hammerschmidt, Martin Müller-Butz, Antje Werner, Karsten Giertz, Sandra Rieck, Rainer Kirchhefer, Christian Kaiser, Peter Modemann (von links nach rechts).

Im Namen der Organisator*innen möchten wir uns nachträglich noch einmal bei allen Teilnehmenden und Referent*innen für die gelungene Veranstaltung bedanken. Einen Beitrag im NDR zur Landesweiten Gedenkveranstaltung 2024 finden Sie hier.

Landesweite Gedenkveranstaltung ERINNERN, BETRAUERN, WACHRÜTTELN am 27. Januar 2024 in Alt Rehse & Neubrandenburg

Wir freuen uns, Sie alle in diesem Jahr wieder zur Landesweiten Gedenkveranstaltung einladen zu dürfen.

Am 27.01.2024 Mal treffen wir uns in Alt Rehse, dem Ort mit einer besonders prägenden Geschichte für die Durchführung der menschenverachtenden NS-„Euthanasie“ und Zwangssterilisierungen.

Auf dem Gebiet des heutigen Mecklenburg-Vorpommern rufen wir zum 27. Januar, dem Nationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus und den Internationalen Holocaust-Gedenktag dazu auf, jetzt erst recht hinzuschauen und wachsam zu sein.

Wir erinnern dabei an Wegbegleiter, die unsere Gedenkveranstaltungen seit 2008 aktiv mit prägten und begleiteten: Käthe Schüler, Prof. Dr. Harald Freyberger und Prof. Dr. Klaus Dörner. Wir möchten Sie auch in deren Namen und Andenken dazu aufrufen, nicht darin nachzulassen, den Blick auf die Opfer der NS-„Euthanasie“ und die Geschichte der Profession der Helfenden zu richten. Heute ist es an uns, die Rahmenbedingungen mit ein einer stabilen Haltung von Respekt und Toleranz im Sinne der Menschenrechte und der UN-Behindertenkonvention zu gestalten und gegen alle Anfeindungen und Ausgrenzungen zu verteidigen.

„Nur wenn die „Euthanasie“-Toten uns ohne Unterlass an die stets offenen Wunden der Psychiatrie erinnern, sind sie vielleicht nicht umsonst gestorben.“ Prof. Dr. Klaus Dörner (1933 – 2022).

Weitere Informationen zum Programm und zu den Veranstaltungsorten finden Sie hier:

Der Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen e.V. informiert über die Borderline-Persönlichkeitsstörung

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung gehört zu einer psychischen Erkrankung, die bei den Betroffenen und ihren Angehörigen zu viel Leid führt. Mit einer Prävalenz von 1 bis 2 % zählt die Borderline-Persönlichkeitsstörung mit zu den häufigsten psychischen Erkrankungen in der Bevölkerung. Darüber hinaus gehören Borderline-Betroffene mit zu den häufigsten Klient*innen und Patient*innen in der psychiatrischen und psychosozialen Versorgung.

Mittlerweile gibt es zahlreiche klinische Studien und Behandlungsansätze, die zu einem besseren Verständnis dieses Erkrankungsbildes sowie zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität bei den Betroffenen beigetragen haben. Trotzdem gehört die Borderline-Persönlichkeitsstörung immer noch zu einem Erkrankungsbild über das viele Vorurteile und Mythen erzählt wird. In der Praxis wird immer wieder darüber berichtet, dass “Menschen mit Borderline nicht richtig lieben können”, “die Krankheit nur Frauen betrifft”, “Borderline-erkrankte Menschen in der Kindheit traumatisiert wurden” oder “die Betroffenen nicht behandelbar sind”. Doch was ist an diesen kursierenden Gerüchten wirklich dran? Was sagt die Forschung dazu? Und wie erleben die Betroffenen und ihre Angehörigen die Erkrankung selbst?

Der Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen e.V. informiert auf seiner Seite genau über diese Fragen. Neben einem Informationsflyer zur Borderline-Persönlichkeitsstörung informieren Betroffene, Angehörige und Expert*innen über dieses Erkrankungsbild.

Weitere Informationen finden Sie hier