Modellprojekt Länger Leben in Mecklenburg-Vorpommern

Durch ungünstige Rahmenbedingungen in Kombination mit fehlendem gerontopsychiatrischen Hintergrundwissen bei ärztlichem und pflegerischem Personal entwickelt sich der Krankenhausaufenthalt für psychisch kranke alte Menschen, insbesondere mit einer Demenz häufig erneut zu einer Krisensituation, die zu einer gravierenden Verschlimmerung der Symptomatik führt. Nicht selten ist nach einer “misslungenen” Akutbehandlung die häusliche Versorgung nicht weiter auf-rechtzuerhalten. Insgesamt entsprechen der gerontopsychiatrisch spezialisierte Konsildienst im Rahmen der Krankenhausbehandlung und die gerontopsychiatrische Beratung im häuslichen Umfeld oder in der Heimsituation quantitativ und qualitativ nicht den aktuellen Bedarfen.

Der Umzug ins Heim ist aus der Sicht des Betroffenen und ggf. seiner Angehörigen oft eine Notlösung. Angehörige sind oftmals allein für die Pflege verantwortlich. Dabei machen sie immer wieder die Erfahrung, an ihre eigenen Grenzen zu kommen, überfordert zu sein und ungeduldig und unsicher im Umgang mit dem pflegebedürftigen Menschen zu sein.6 Gar nicht selten ist daher auch die häusliche Pflege durch Gewalthandlungen gegenüber den Pflegebedürftigen, aber auch zwischen Gepflegten und Pflegenden geprägt. Derartig belastende Konstellationen für die Angehörigen und deren Pflegebedürftige oder der Wegfall der pflegenden Angehörigen führen oftmals zur Unterbringung des Hilfebedürftigen in ein Heim. Die meisten Menschen wollen gemäß ihrem “Wunsch- und Wahlrecht” in ihrer vertrauten häuslichen und nachbarschaftlichen Umgebung bleiben. Sie wollen – ebenso wie ein alter Baum – nicht verpflanzt werden und sie wollen sich nicht einem fremdbestimmten Leben in einer Institution unterordnen. Es gibt aber auch eine Minderheit, die den Einzug ins Heim als Entlastung von den Sorgen des Alltags erlebt und gerne am Leben im Heim teilnimmt. Der Familie, nicht nur im engen Sinn verstanden, kommt bei psychischen Erkrankungen eines Familienmitglieds besondere Bedeutung zu. Zusätzlich zur medizinischen Beratung und Behandlung des Erkrankten selbst braucht sie eine Beratung und Betreuung über mögliche nicht medikamentöse Therapien, über versicherungsrelevante, rechtliche und finanzielle Fragen. Auch über die Entlastungsmöglichkeiten für pflegenden Angehörigen muss informiert werden.

Lösungsmöglichkeiten

Eine Lösungsmöglichkeit wird vor allem in einem personenzentrierten und lebensweltorientierten Rahmenkonzept gesehen, das bereits in der Erwachsenenpsychiatrie mit Erfolg erprobt ist und wofür in der Unterstützung von alten psychisch kranken Menschen innerhalb des Altenhilfesystems bereits gute Voraussetzungen vorliegen. Einschränkend ist hier jedoch anzumerken, dass sich genau dieses System mit psychisch kranken alten Menschen besonders schwer tut – insbesondere unter der Leitidee “ambulant vor stationär” und der “qualifizierten Heimvermeidung”.

Alte psychisch kranke Menschen benötigen zunächst ein umfassendes Assessment inklusive umfassender Beratung unter Einbezug von gerontopsychiatrisch erfahrenen Fachleuten. Eine erste diagnostische Abklärung sollte unter anderem bei den Allgemeinärzten erfolgen. In Umsetzung eines sich hieraus ergebenden Unterstützungs- und Behandlungskonzeptes (Hilfeplan) entsteht im Allgemeinen ein Mix von Hilfen (Komplexleistung) aus den Bereichen medizinischer Hilfen, der Alltagsbegleitung und professioneller Betreuung sowie der Hauswirtschaft und der Pflege. In die Erbringung dieser Leistungen können/sollten auch Angehörige und Ehrenamtliche einbezogen werden. Zumeist ist die Koordination solcher Hilfen, die aus einer differenzierten Hilfeplanung entstehen, durch einen Profi (Case-Manager) erforderlich. Die Organisation und Koordination dieser differenzierten Hilfen (Komplexleistung) im Lebensfeld (Quartier) erfordert eine qualifizierte Beratung vor Ort (z. B. in einem Pflegestützpunkt) und in der jeweiligen Region ein sehr fein abgestimmtes “gerontopsychiatrisches Netzwerk”, das seinen Kristallisationspunkt in einem (virtuellen) gerontopsychiatrischem Zentrum finden könnte. Dort könnte das professionelle “Know how” in einer Region gebündelt werden.

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