Modellprojekt Länger Leben in Mecklenburg-Vorpommern

Projektleitung: Prof. Dr. Ingmar Steinhart

Projektmitarbeitende: Antje Borrasch & Antje Werner

Ausgangssituation

In keinem anderen Bundesland der Bundesrepublik Deutschland wird in den nächsten Jahren der Anteil alter Menschen an der Bevölkerung ähnlich steigen wie in Mecklenburg-Vorpommern. Diese Situation stellt das Land Mecklenburg-Vorpommern vor ganz besondere Herausforderungen in fachlicher, organisatorischer und ökonomischer Hinsicht. Gleichzeitig kann die sich anbahnende deutsche Gesamtentwicklung wie unter einem Vergrößerungsglas bereits jetzt in Mecklenburg-Vorpommern betrachtet werden.

Der demographische Wandel wird sich bundesweit in den nächsten Jahren weiter verschärfen. In den letzten Jahrzehnten hat bereits kontinuierlich die Zahl der Ein-Personen-Haushalte und darunter der Anteil der 65-jährigen und Älteren zugenommen. Es ist davon auszugehen, dass die Zahl der in den höheren Altersgruppen alleine Lebenden – vor allem der Frauen – in den nächsten Jahrzehnten aufgrund zunehmender Hochaltrigkeit und Singularisierung noch deutlich zunehmen wird. Die häufig daraus resultierende soziale Isolation im Alter ist einer der bedeutendsten Faktoren für den Verlauf psychischer Erkrankungen im Alter. Hinzu kommt noch, dass der Trend der Verringerung der Chance, durch eine(n) Partner*in oder durch eigene Kinder bei zunehmenden Hilfebedarf unterstützt zu werden, sich noch deutlich fortsetzen wird. Exper*innen gehen davon aus, dass das informelle Pflegepotenzial (2001 = 100 %) bis 2010 und 2015 um 10 % und bis 2050 um ca. 35 % abnehmen wird. Der Anteil der Leistungsempfänger von Leistungen der Pflegeversicherung dagegen erreicht in Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam mit Sachsen-Anhalt Spitzenwerte. Ökonomisch wird sich in den neuen Bundesländern aufgrund dauerhaft niedrigerer Einkommen im Erwerbsleben langfristig der Eigenanteil aus Rente und/oder Zusatzversicherungen in einer geringeren Zuzahlungsmöglichkeit (Eigenanteil) der alten Menschen auswirken – was gleichzeitig für die Sozialhilfeträger zu deutlich höheren Belastungen führen wird.

Zielgruppe 

Die Gruppe an die sich dieses Projektes richtet sind Personen, die im Alter an akuten oder chronischen psychischen Störungen, insbesondere Demenzen und Depressionen, leiden. Bei mehr als 25 % der über 65-jährigen Menschen liegt eine behandlungsbedürftige psychische Störung vor. Dieser Befund wird übereinstimmend von in- und ausländischen epidemiologischen Untersuchungen bestätigt.

Zu den wichtigsten psychischen Störungen im Alter zählen laut Sachverständigenkommission zum Vierten Altenbericht:

  • Demenzerkrankungen
  • Depressive Störungen
  • Angst- und Anpassungsstörungen
  • Wahnhafte Störungen und
  • Abhängigkeitserkrankungen

Von besonderer Bedeutung sind hier Alkoholabhängigkeit und Medikamentenabhängigkeit. Hinzu kommen weitere besondere Problematiken mit zunehmenden Alter wie:

  • Die Multimorbidität, d. h. das Risiko an mehreren Erkrankungen aus verschiedenen Organsystemen gleichzeitig zu leiden, ist mit dem höheren Lebensalter ansteigend. Das psychiatrische Erkrankungsrisiko bei gleichzeitigen chronischen körperlichen Beschwerden ist ebenfalls deutlich erhöht. Chronische körperliche Erkrankungen sind ein bedeutsamer Risikofaktor für Depressionen und Demenzen. Darüber hinaus ist ein Anstieg der psychiatrisch-neurologischen Komorbidität festzustellen.
  •  Das Suizid-Risiko älterer Menschen ist insbesondere für ältere Männer, gegenüber jüngeren Menschen deutlich höher. Wichtige Einflussfaktoren für Suizidalität sind psychische Erkrankungen, insbesondere Depressionen, gravierende Veränderungen im sozialen Netzwerk und körperliche Erkrankungen (z. B. chronische Schmerzen).

Probleme in der Ausgestaltung der Hilfen

Die Wünsche der alten Menschen: Die meisten Menschen wollen im Alter auch bei zunehmender Hilfebedürftigkeit in ihrer eigenen Wohnung leben. Dem Alters-Survey von 1996 zufolge ist dieser Wunsch bei 81,7 % aller befragten 40-bis 85-jährigen bekundet worden. In der Altersklasse der 70-bis 85-jährigen waren es 79,9 %

Die Situation vor Ort: Trotz dieser Bedürfnisse und Wünsche der Bevölkerung gestaltet sich die Situation psychisch kranker alter Menschen vor Ort bislang vielfach so, dass sie notwendige Hilfen nicht oder nicht ausreichend erhalten. Dies führt oft zu einer krisenhaften Zuspitzung und dann zum Beispiel zu einer Aufnahme als Notfall im Allgemeinkrankenhaus und zur Verlegung in ein Heim. In den Allgemeinkrankenhäusern entfallen bereits 50 % der Pflegetage auf über 65-jährige. Insbesondere Abteilungen, deren Klientel im Schwerpunkt aus alten Menschen besteht, zum Beispiel Innere oder Chirurgische Abteilungen, haben mit gerontopsychiatrischen Erkrankungen zu tun. Bei psychischen Alterskrankheiten bestehen häufig enge Wechselwirkungen zwischen Beeinträchtigungen der körperlichen und der psychischen Gesundheit. Die psychischen Erkrankungen treten dann bei der Behandlung der somatischen Erkrankung im Allgemeinkrankenhaus als “Störfaktor” auf und werden für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und anderen Patienten zum Problem.