Mindestqualitätsstandards geschlossener Unterbringungen
Um insbesondere den Psychiatrietourismus (d.h. die Unterbringung von Menschen mit psychischen Erkrankungen aus anderen Bundesländern) entgegenzuwirken und eine personenzentrierte Versorgungssituation weitestgehend auch für geschlossen untergebrachte Menschen mit psychischen Erkrankungen zu ermöglichen, formulierte die Landesarbeitsgruppe der geschlossenen Wohnformen des Landesverbandes Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. 2017 mehrere Mindestqualitätsstandards für geschlossene Unterbringungsbedingungen.
Der Leitgedanke der Mindestqualitätsstandards besteht unter anderem darin, die Unterstützungsleistung auf ein selbstbestimmtes Leben ohne Unterbringung auszurichten. Ziel der Unterstützung sollte sein, über eine befristete Zeit, die betreffende Person unter anderem durch geeignete pädagogische, psychiatrische und psychotherapeutische Intervention individuell (wieder) zu befähigen, eigene Lebens-, Handlungs- und Haltungsstrukturen zu entwickeln oder zu reaktivieren, um eine eine Selbst- und/ oder Fremdgefährdung für die Zukunft weitgehend auszuschließen. Hierzu wurden von der Landesarbeitsgruppe mehrere Mindestanforderungen an die strukturellen und baulichen Rahmenbedingungen, an geeignete Nachsorgeangebote, an die personelle Ausstattung in den geschlossenen Wohneinrichtungen sowie an die Unterstützungsplanung und Umsetzung der Unterstützungsleistungen aufgestellt. Die Landesarbeitsgruppe setzt sich dafür ein, diese Mindeststandards in Mecklenburg-Vorpommern zu etablieren und ausgehend von den Erfahrungen aus der Praxis weiterzuentwickeln. Die Mindestqualitätsstandards können hier nachgelesen werden:
Forschungsbericht “Aktuelle Versorgungssituation von sogenannten Systemsprengern in Mecklenburg-Vorpommern”
Eine aktuelle Gesamtübersicht zu den Erkenntnissen und den Ergebnissen der Forschung zur “Systemsprenger-Problematik” und geschlossenen Unterbringung im Bereich der Erwachsenenpsychiatrie befindet sich im Forschungsbericht “Aktuelle Versorgungssituation von sogenannten Systemsprengern in Mecklenburg-Vorpommern” des Landesverbandes Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. Ausgehend von den wissenschaftlichen Erkenntnissen wurden 2020 Empfehlungen zur Verbesserung der psychiatrischen Versorgung von psychisch erkrankten Menschen mit komplexen Unterstützungsbedarfen und zur Verringerung von Zwangsmaßnahmen für Mecklenburg-Vorpommern herausgearbeitet. Hierzu gehören unter anderem:
- die Entwicklung von passgenauen und flexiblen personenzentrierten Unterstützungsmöglichkeiten für die Zielgruppe von psychisch erkrankten Menschen mit komplexen Unterstützungsbedarfen im Rahmen des Gesamtplan- und des Teilhabeplanverfahrens,
- eine stärkere regionale Vernetzung zwischen dem stationären und außerklinischen Bereich,
- die Etablierung einer Kommission von Expert*innen zur Entwicklung von alternativen Lösungsvorschlägen im Falle einer geschlossenen Unterbringung,
- Regionale Steuerungs- und Pflichtversorgung psychisch erkrankter Menschen unter Berücksichtigung des individuellen Wunsch- und Wahlrechts zur Einschränkung des Psychiatrietourismus und
- eine stärkere Thematisierung von Zwangsmaßnahmen und Maßnahmen zur Prävention von Zwang in den einzelnen Kommunen.
Der Forschungsbericht kann hier in einer langen und kurzen Fassung heruntergeladen werden.
Videovortrag schwer erreichbare Klient*innen in der sozialpsychiatrischen Versorgung
Schwer erreichbare Klient*innen, die nicht in der beabsichtigten Weise von den bestehenden Versorgungs- und Behandlungsangeboten profitieren, stellen die professionelle Mitarbeiter*innen vor erheblichen Herausforderungen. Zusätzlich zeichnen sich diese Klient*innen durch psychische und multiple Problemlagen aus, wodurch ein komplexer Unterstützungsbedarf entsteht. Anlässlich der digitalen Mitgliederversammlung 2020 des Landesverbandes Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. und dem 2020 veröffentlichten Fachbuch “Hard to reach: schwer erreichbare Klientel unterstützen” beschäftigen sich Lisa Große (Alice Salamon Hochschule Berlin) und Karsten Giertz (Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V.) im Rahmen eines Videovortrages mit der aktuellen Versorgungsproblematik von sogenannten Hard-to-reach-Klient*innen in der psychiatrischen und psychosozialen Versorgung.
Im Vortrag werden die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der psychiatrischen Versorgungsforschung zu wohnungslosen Menschen mit psychischen Erkrankungen, erwachsenen Menschen mit psychischen Erkrankungen und herausfordernden Verhaltensweisen sowie von Menschen mit psychischen Erkrankungen und einer intensiven Inanspruchnahme des psychiatrischen Versorgungssystems zusammengefasst. Ausgehend von den wissenschaftlichen Erkenntnissen zeigen sie Konsequenzen für die psychosoziale Praxis und Chancen für die psychiatrische Versorgung auf.
Zu der Referentin und dem Referenten
Karsten Giertz ist Geschäftsführer des Landesverbandes Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V.
Lisa Große ist Klinische Sozialarbeiterin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Alice Salomon Hochschule Berlin.