Bundesteilhabegesetz

Die Unterstützung, Rehabilitation und Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Mecklenburg-Vorpommern befindet sich aufgrund von mehreren gesetzlichen Reformprozessen (Bundesteilhabegesetz, Pflegestärkungsgesetz, Stationsäquivalente Behandlung etc.) in einem Umgestaltungsprozess. Dieser Prozess nimmt Einfluss auf die Verwaltung, Struktur, Finanzierung und Praxis verschiedener Institutionen, Organisationen und Träger. Eine besondere Rolle nimmt das „Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung“ (Bundesteilhabegesetz (BTHG)) vom 23.12.2016 ein. Mit dem Bundesteilhabegesetz verändert sich das System der Leistungen im Bereich der Eingliederungshilfe und der Rehabilitation grundlegend. Zu den wesentlichen Veränderungen gehören:

  • die gesetzliche Stärkung der Selbstbestimmung sowie des Wunsch- und Wahlrechts von Menschen mit Behinderungen (§ 8 SGB IX, § 104 SGB IX)
  • die Einführung eines neuen im Sozialrecht verbindlichen Behindertenbegriffes, welcher Behinderung als Ergebnis einer Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren auffasst (§ 2 SGB IX)
  • die Priorisierung von ambulanten Leistungen gegenüber stationären Leistungen (§ 104 SGB IX)
  • neue Möglichkeiten zur Entwicklung eines inklusiven Arbeitsmarktes (§ 60 SGB IX, § 61 SGB IX)
  • die Einführung von Leistungen zur Sozialen Teilhabe (§ 76 SGB IX)
  • die Aufhebung von institutionalisierten Prinzipien in Bezug auf den Zugang von Leistungen hin zu einer personenzentrierten Finanzierung von Leistungen (§ 76 SGB IX)
  • die Einführung eines Gesamtplan- und Teilhabeplanverfahrens zur Umsetzung einer personenzentrierten Bedarfsermittlung unter Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts der leistungsberechtigten Person (§ 19 SGB IX, § 117 SGB IX)
  • die Möglichkeiten einer unabhängigen Teilhabeberatung (§ 106 SGB IX)
  • die Wirksamkeitsdokumentation von Leistungen der Sozialen Teilhabe (§ 131 SGB IX)
  • die Einführung der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit als Orientierungsrahmen für die Bedarfsermittlung und zur sprachlichen Verständigung aller Prozess der Rehabilitation (§ 188 SGB IX)

Menschen mit psychischen Erkrankungen gehören mit 51 % zu einer bedeutenden Gruppe von Nutzer*innen, welche Leistungen der Eingliederungshilfe in Anspruch nimmt. In vielen Funktionsbereichen wie Arbeit, Wohnen, Freizeit oder soziale Beziehungen weist dieser Personenkreis spezifische gesellschaftliche Teilhabebarrieren und besondere Unterstützungsbedarfe auf, welche in der Bedarfsermittlung und Umsetzung von Leistungen zur Sozialen Teilhabe berücksichtigt werden müssen.

Die im Bundesteilhabegesetz vorgeschriebenen Instrumente und Verfahren werden in Mecklenburg-Vorpommern derzeit noch sehr unterschiedlich gehandhabt. Bisher gibt es keine einheitlichen Standards oder Vorgehensweisen zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes für die Leistungen der Eingliederungshilfe im Kontext der Unterstützung von Menschen mit psychischen Erkrankungen. Aber auch für die Mitarbeitenden der psychosozialen Versorgung ergeben sich durch das Bundesteilhabegesetz neue fachliche handlungsbezogene Kompetenzen, um eine qualitative und personenbezogene Unterstützung von Menschen mit psychischen Erkrankungen und ihren Angehörigen zu ermöglichen.

Der Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. begleitet diesen Umgestaltungsprozess auf der fachlichen Ebene im Rahmen von Stellungnahmen, Informationsvermittlung, Qualifizierungsangeboten, Forschungsinitiativen, Fachtagungen, Arbeitsgruppen und Diskussionsforen. Im Austausch mit seinen Mitgliedern, leistungsgewährenden Institutionen, anderen Verbänden und Vereinigungen der Selbsthilfe sowie mit wissenschaftlichen Akteur*innen, wie dem Institut für Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V., erarbeitet der Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. Empfehlungen und Standards hinsichtlich der Umsetzung der im Bundesteilhabegesetz verankerten Vorgaben für psychisch erkrankte Menschen und ihre Angehörigen.

Darüber hinaus weist der Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. im Rahmen von verschiedenen Initiativen auf problematische Entwicklungen in der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Mecklenburg-Vorpommern hin, welche im Zusammenhang mit einer fehlgeleiteten Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes entstehen. Neben einer einheitlichen Umsetzung der im Bundesteilhabegesetz vorgeschriebenen Verfahren und Vorgaben, bestehen die Ziele des Landesverbandes Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. unter anderem darin:

  1. Die Umsetzung einer personenzentrierten und sozialraumorientierten Versorgung unter Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts sowie der Förderung der sozialen Teilhabe von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Mecklenburg-Vorpommern zu ermöglichen.
  2. Geeignete Voraussetzungen für Leistungserbringer der Eingliederungshilfe zu schaffen, um fachlich qualifizierte Leistungen zur Sozialen Teilhabe für Menschen mit psychischen Erkrankungen und ihren Angehörigen (inklusive Kindern psychisch erkrankter Eltern) anbieten zu können.

Aktuelle Schwerpunkte des Landesverbandes Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. bilden das Teilhabe- und Gesamtplanverfahren, die Umsetzung des Integrierten Teilhabeplans Mecklenburg-Vorpommern, die fachliche Ausgestaltung der im Gesetz beschriebenen Leistungen zur Sozialen Teilhabe für psychisch erkrankte Menschen sowie die Wirksamkeitsdokumentation der Eingliederungshilfe nach dem Landesrahmenvertrag.

In diesem Bereich können Sie alle Aktivitäten des Landesverbandes Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. und des Instituts für Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. zum Bundesteilhabegesetz einsehen und verfolgen.