Filmpräsentation “Der schöne leichte Tod” von Michael Krull aus dem Jahr 1994

Über den Film “Der schöne leichte Tod”

Ein Dokumentarfilm von Grimme-Preisträger Michael Krull aus dem Jahr 1994.

Jahrzehnte nach dem Ende der Nazi-Herrschaft werden bei Bauarbeiten im mecklenburgischen Carlsdorf  Reste eines Poesiealbums aufgefunden, wie sie früher bei jungen Mädchen beliebt waren, damit Freunde, Verwandte, die Lehrer, der Pastor sich mit Gedichten und Segenswünschen für den heranwachsenden jungen Menschen verewigen konnten.

Die Recherche in Kirchenbüchern ergibt, dass dieses kleine Poesiealbum der 1937 konfirmierten Landarbeitertochter Irmgard Kaiser gehörte, verstorben nach Aussage alter Dorfbewohner 1943 in der Heil- und Pflegeanstalt Schwerin-Sachsenberg.

Poesiealbum von Irmgard Kaiser

Der Film folgt dem Leidensweg des aus häuslicher Umgebung gewaltsam weggerissenen, angeblich unter Schizophrenie leidenden jungen Mädchens durch die drei letzten Stationen ihres Lebens, den Heil- und Pflegeanstalten Rostock-Gehlsheim, Altstrelitz-Domjüch und Schwerin-Sachsenberg.

Rechts und links ihres Weges lauert der Tod, töten Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger ihnen anvertraute geistig und körperlich behinderte Patienten im Rahmen der geheimen „Aktion T4“, benannt nach der Berliner Euthanasie-Zentrale, Tiergartenstrasse Nr.4. In diesem Nebengebäude der „Kanzlei des Führers“ organisieren Fachleute des Todes aufgrund einer Tötungsermächtigung Adolf Hitlers die Ermordung von Männern, Frauen und Kindern mit Behinderungen, eingestuft als „lebensunwertes Leben.“

Irmgard Kaiser und ihre Brüder

Auf Irmgards erster Station verschwanden nach heutiger Aktenlage viele Rostocker Patient*innen auf unerklärliche Weise, einfach so, abtransportiert durch die GeKrat, die Krankentransportgesellschaft der T4-Zentrale. Auf ihrer zweiten berichtet eine alte Zeitzeugin über die unnatürlich hohen Sterbeziffern in der Anstalt Domjüch, worüber in der Bevölkerung hinter vorgehaltener Hand gemunkelt wurde. Die Menschen, so sagte man, seien gestorben worden. Auf Irmgards dritter Station folgt die Kamera der Spur zweier damaliger Patiententransporte der GeKrat  von Schwerin in die als Duschraum getarnte Gaskammer der Tötungsanstalt Bernburg.

Irmgards letzte Spur findet sich in dem vom Filmteam entdeckten Sterbebuch der Anstalt Schwerin-Sachsenberg. Danach starb sie nur einen Tag nach ihrer Ankunft bei hohem Fieber an Lungentuberkulose, eine bei Euthanasiemorden häufig benutzte Todesursache.

Ihr behandelnder Arzt, der bei Kriegsende gen Westen geflohene Oberarzt Dr. Leu, steht 1954 in Köln vor Gericht. Leu wird der Tod von etwa zweitausend Patienten zur Last gelegt. Und obwohl Leu zugibt, rund einhundert Menschen persönlich getötet zu haben, wird er vom Schwurgericht Köln freigesprochen. Leu habe als heimlicher Gegner des Nazi-Regimes – so die Richter – aus Gründen der Tarnung nur die allerschlimmsten Fälle getötet, um die weniger schlimmen retten zu können. Für den Angeklagten spräche auch,  „in schwerer Zeit Särge für die von ihm euthanasierten Kinder beschafft zu haben.“

Ein Schweriner Sachsenberg-Prozess 1945 endet nach dem Selbstmord des Ärztlichen Direktors mit 4 Todesurteilen gegen drei Pfleger und eine Pflegerin, von denen aber keines vollstreckt wird.

Über den Regisseur Michael Krull

Die Geschichte von Irmgard Kaiser wurde vom Regisseur und gebürtigen Güstrower Michael Krull nach jahrelanger Recherche 1994 im Dokumentarfilm “Der schöne leichte Tod” aufgegriffen und verarbeitet. Gemeinsam mit seiner Frau fand Michael Krull das Poesiealbum in Carlsdorf im Haus eines verunglückten und befreundeten Dorfbewohners. Seit seiner Veröffentlichung wurde der Film mehrfach im Fernsehen und in mehreren Schulen gezeigt. Michael Krull begleitete dabei viele Ausstrahlungen und beteiligte sich an vielen Diskussionsforen, um über die Lebensgeschichte von Irmgard Kaiser, über die Recherchearbeiten zum Film und über die tragischen Schicksale vieler Menschen während des Nationalsozialismus aufmerksam zu machen. In Mecklenburg-Vorpommern wurde der Film zuletzt mit einer anschließenden Diskussion zusammen mit dem Regisseur 2009 während der Woche der Psychiatrie in Rostock im Lichtspieltheater Wundervoll öffentlich präsentiert.

Nach seinem erfolgreichen Dokumentarfilm von 1994 wurde Michael Krull ein Jahr später im Zusammenhang mit dem Dokumentarfilm über den Besuch von Helmut Schmidt im Jahr 1981 in der DDR “Drei Stunden Güstrow”, mit dem Adolf Grimme Preis ausgezeichnet. Dieser Film kann derzeit über den YouTube Kanal des NDR angesehen werden.